Schwarz-Grün?

■ betr.: „Kulturrevolution auf leisen Sohlen“, taz vom 10. 11. 94, „Die erste Grüne mit Bundesstander“, „Es darf, es muß Kommunisten ge ben“, taz vom 11. 11. 94

[...] Erstaunlich sind Jakobs‘ realitätsblinde Legitimationsthesen: „Die Verantwortung dafür trägt das Wahlvolk“. Das Gegenteil ist richtig.

Bei keinem der neuen CDU- Bündnisse (in drei ländlichen Kleingemeinden gab's die schon zuvor) konnte das Wahlvolk vorher ahnen, daß seine bei den Grünen abgegebenen Stimmen von diesen zur Inthronisierung von CDU-Bürgermeistern und -Landräten weitergereicht würden. Meine These: Hätten sie's gewußt, hätten die WählerInnen uns vielerorts nicht zum Wahlsieger gemacht, vielleicht gar mit der FDP ins Abseits gestellt.

Grüne Juniorpartner der CDU hätten sich dafür entschieden, „mutig die als sachlich richtig erkannten Wege zu beschreiten“, so Jakobs. Im Kreis Aachen wurde mit der SPD erst gar nicht verhandelt. In Mülheim/Ruhr votierten die Grünen nicht nur für einen dezidiert „rechtskonservativen“ OB- Kandidaten, sondern auch für die im Vergleich mit dem SPD-Verhandlungspapier deutlich schlechtere Politik. In den Kreisen Mettmann und Euskirchen wählten Grüne die CDU-Kandidaten ohne inhaltiche Vereinbarung, in letzterem Falle trotz absoluter CDU- Mehrheit (!). In Gladbeck warf man sich der Union in den Arm, obwohl der alte Filz-Bürgermeister von einer SPD-internen rot- grünen Bewegung gekippt und ein Konsenspapier mit der SPD schon ausgehandelt war – und so weiter und so fort.

Nicht sachliche Erwägungen, sondern allenfalls psychologische „Rachemotive“ für jahrzehntelange Machtarroganz der Sozis haben sich hier durchgesetzt. Das erstaunlichste Phänomen ist für mich dabei, daß aus einer (realen oder vermeintlichen) Bündnisunfähigkeit der SPD fast schon mit der Macht des „Sachzwangs“ Schwarz- Grün abgeleitet wird. Soll oppositionelle Verantwortung künftig PDS-Reservat werden?

Klar ist heute: Schwarz-Grün in zwei Kreisen und kreisfreien Städten sowie in 13 kreisangehörigen Städten und Gemeinden hat den SPD-Demagogen das mit Abstand stärkste Mittel in die Hand gegeben, um bei der Landtagswahl die Abwanderung enttäuschter WählerInnen zu den Grünen zu stoppen, wenn nicht umzukehren. Daniel Kreutz, MdL,

Lagerpolizist, Düsseldorf

Der Monat November war der Monat der Wahrheit für die Bündnisgrünen. Da werden in Nordrhein-Westfalen ohne Zaudern schwarz-grüne Koalitionen eingegangen, und Antje Vollmer läßt sich auf dem vorläufigen Höhepunkt der Entwicklung von der deutsch-nationalen Plattmacher- und Asylrechtsbeseitigungsfraktion CDU/CSU ins Parlamentspräsidium wählen. Dabei wird auf eine Weise argumentiert, daß einem die Haare zu Berge stehen. [...]

Man kann Karsten Voigt nur zustimmen, wenn er sagt, der Zynismus der Macht habe nun auch bei den Grünen Platz gegriffen, wobei er ja indirekt noch zugibt, daß dieser Zynismus in den anderen Fraktionen längst usus ist.

Mal sehen, was der frisch gekürten Öko-FDP sonst noch so einfällt. Templin kümmert sich ja bereits um die national-liberalen Wählerschichten, die Zustimmung zum Autobahnbau in Sachsen-Anhalt wundert eh schon keinen mehr. Dünn wird's allmählich für die SPD, der als möglicher Koalitionspartner bald nur noch die PDS treu an der Seite steht.

Die Grünen allerdings haben ein weiteres Kapitel ihrer Geschichte abgeschlossen und sich als linke, alternative Kraft endgültig verabschiedet. Insgesamt ein Lehrstück über die Vereinnahmung radikalen Protestpotentials durch die Bonner Klüngeldemokratie. Stefan Wirner, Berlin

[...] Es war erbärmlich, man muß schon manchmal an politischem Verstand zweifeln. Vor Wochen noch tritt man an, um endlich diese abgehalfterte Koalition durch eine öko-sozialdemokratische Alternative ablösen zu wollen. Das ist leider nicht gelungen. Doch man will eine Opposition aufbauen, die der Kohl-Kinkel-Koalition keine ruhige Minute lassen will (Worte von Fischer und Scharping). Und was wurde uns beschert? Grüne und Sozis giften sich bei dieser ersten Bundestagssitzung an, und Kohl und Waigel sitzen da und genießen dieses Spektakel.

Den Herren Fischer und Scharping gilt es zu sagen: „Hättet Ihr euch eine Woche zusammengesetzt, hättet Ihr gestritten, daß die Köpfe nur so rauchten, hättet Ihr eine Lösung gefunden, wie man das alles regeln kann auch ohne Schäuble oder Aufstockung der Sitze!“ So etwas wäre ein Signal gewesen, daß es in der Politik auch noch Wege gibt, die beim Wähler Vertrauen schaffen. [...]

Gewonnen hat nur einer wirklich: Helmut Kohl! Und ob es da hilft, wenn sich Fischer und Scharping in Kohls selbstgefälliger Körperhaltung üben? Roland Strittmatter, Mainz