Der Meister des Drecks

■ Am Wochenende trifft sich die Reitsport-Elite der Welt zum C.H.I.-Turnier in Berlin. Doch Hermann Duckek hat nur Augen für den Boden. Der taz verrät der "Papst für Reitböden" die Geheimnisse des optimalen...

Seit drei Jahren reist der 58jährige Hermann Duckeck mit dem Turnierzirkus um die Welt, um in den Mehrzweckhallen den Boden für die Reiter zu bereiten. Der gelernte Landwirt und Reitlehrer weiß, was Pferdebeine brauchen: Einst hat er selber Olympiapferde ausgebildet, war Trainer für die Schweden und Dänen und auf unzähligen Turnierplätzen dieser Welt aktiv. Und er weiß: „Dreck kann eine Wissenschaft sein.“

taz: Herr Duckek, Sie haben auf der ganzen Welt Ihre Dreckhäufchen liegen?

Hermann Duckek: Ja, überall, in Paris, Genf, Berlin, Zürich, Stockholm, New York, Hollywood ... und überall ist er ein bißchen anders.

Sie haben keine Spezialmischung, kein Geheimrezept?

Nicht im Sinne einer bestimmten Bodensorte. Ich kann ja nicht zu jedem Turnier 900 Tonnen Sand mitbringen, das wäre zu teuer. Ich muß mit dem Material vor Ort arbeiten. Das wird dann aufbewahrt. So ein Boden kostet zwischen 60.000 und 80.000 Mark.

Was brauchen Sie für einen guten Hallen-Reitboden?

Die Basis bildet ein Sand- Lehm-Gemisch. Darunter müssen Späne, sonst bliebe der Lehm an den Mehrzweckböden haften. Den Schmodder kriegen sie nie wieder raus. Über die Basis kommen dann nochmals Späne. Die hellen den Boden auf, das ist wichtig fürs Fernsehen.

Das klingt relativ simpel ...

Aber nein: Der ganze Belag darf höchstens zwanzig Zentimeter hoch sein, und so beschaffen, daß die Pferde beim Absprung und bei der Landung höchstens sechs, sieben Zentimeter tief einsinken. Er darf nicht zu weich sein, nicht zu fest und muß gut federn. Auf die Mischung kommt es an, und auf den richtigen Lehm. Der Lehm in Stuttgart ist nicht der Lehm in Zürich. Ich analysiere das Material unterm Mikroskop, bevor ich die Mixtur festlege. Das ist diffizil.

Also ist doch die Mischung das Geheimnis ...

Wenn das so einfach wäre! Da kommt viel zusammen. Am wichtigsten ist die Feuchtigkeit, die bringt die nötige Elastizität. Ist der Boden zu trocken, wird er beinhart. Ist er zu feucht, gibt es Babbelmatsch.

Sie stecken ein Hygrometer in den Sand und messen die Nässe?

Aus dem Alter bin ich raus. Ich nehm den Dreck nur noch in die Hand und fühle. Das mache ich mehrmals täglich. Denn Hallen ziehen Feuchtigkeit. Manche schlucken pro Stunde bis zu 1.000 Liter Wasser. Hier in Berlin zum Beispiel die Deutschlandhalle, dieser alte Dampfer, wird unheimlich heiß. Dann muß ich nachfeuchten. Das geht nur nachts, denn das Wasser muß einziehen, sonst reiten die im Matsch rum. Das ist das große Geheimnis: Wann und wieviel Wasser gegeben werden muß.

Und dafür sind Sie die Koryphäe, ein Handlungsreisender in Sachen Dreck?

Ja, ich bereite die Böden für die größten Turniere der Welt. Immer wieder gibt es neue Aufgaben. In Stuttgart etwa wurde Viererzug- Kutsche gefahren. Das gibt grauenhafte Scharten. Und eine Stunde später wird eine hochkarätige Dressur geritten. Wenn da noch Löcher zu sehen sind, steigen mir die Reiter auf den Kopf. Deshalb fahr ich immer selbst mit dem Traktor, damit ich jeden Quadratmeter Boden kennenlerne.

Warum mischen Sie nicht ein bißchen gehäckselte Gummispäne mit rein, damit es besser federt?

Viel Spaß, dann wurden alle auf der Nase liegen. Allerdings: Es gibt elastische Gummimattenböden, als Untergrund. Aber der ist irrsinnig teuer. Und auch darüber muß Sand. Bis jetzt gibt es nichts Besseres als einen guten Sand-Lehm Boden.

Ist das besser fürs Pferd als eine Naturwiese?

Ich glaube ja. Man sagt zwar immer, es gibt nichts Besseres als einen guten Grasboden. Aber: Wenn's regnet, ist Ende der Vorstellung. Außerdem: wie die heutzutage reiten, die drehen und wenden auf kleinstem Raum, das hält kein Rasen aus.

Haben sie schon mal einen Boden in den Sand gesetzt?

Ja, daran war Pavarotti schuld. Der macht das größte Turnier in Europa in Modena, der hatte einen ganz schlechten Boden und hat mich hinzugezogen. Da hab' ich den Fehler gemacht, nicht zu sagen: „Maestro, ich wünsche einen ganz neuen Boden. Dieser taugt nichts.“ Da bin ich einen Kompromiß eingegangen, und der ging in die Hose. Nur weil ich zu feige war, diesem großen Mann zu sagen: „Der Boden muß raus oder ich geh nach Hause.“ Das passiert mir nie wieder. Schließlich kommen die Reiter zu mir, wenn der Boden nicht stimmt. Für die Pferde ist ein schlechter Boden viel schädlicher als eine Dopingspritze.

Kann man einen verkorksten Boden retten?

Eigentlich kann man nur noch justieren. Wenn er zu feucht ist, müßte man mit Kalk arbeiten, um die Feuchtigkeit herauszuziehen. Einmal mußte ich in einer Nacht einen kompletten Boden auswechseln, aber den hatte ich nicht gemacht. Gehen tut das, ist alles eine Frage der Logistik. Im Madison- Square Garden in New York mach' ich einen Eishockeyboden in viereinhalb Stunden zum Reiten fertig.

Wie wird man Bodenbauer?

Mit den Augen klauen! Überall, wo der Boden gut war, hab ich mir die Sache angeschaut.

Nun sind Sie ein teurer Experte.

Na, Millionär werd' ich damit nicht. Ich habe überall auf der Welt einen Festpreis. Mit mir wird nicht diskutiert. Fragen: Michaela Schießl