■ Ökolumne
: Zurechtgerüttelt Von Alois Berger

Der künftige Chef von Eko Stahl pflegt eine klare Sprache. Für Europa wäre es besser, hat er kürzlich einer belgischen Zeitung gesagt, wenn das Stahlwerk in Eisenhüttenstadt ganz dichtgemacht würde. Das war nicht leichtfertig so dahin geplaudert. Als Generaldirektor von Cockerill-Sambre weiß Jean Gandois, wovon er redet. Der europäischen Stahlindustrie geht es gar nicht gut, weil überall zuviel produziert wird. Trotzdem werden Gandois und seine Firma in Eisenhüttenstadt eine neue sündteure Warmwalzstraße bauen, für gut eine Milliarde Mark. Nicht aus Großherzigkeit und auch nicht aus Dummheit, sondern weil es sich ganz einfach betriebswirtschaftlich rechnet, wenn die Investition komplett vom Staat bezahlt wird. Die Bundesregierung habe offenbar ein politisches Interesse, erklärte der Belgier Gandois seinen erstaunten Landsleuten, sonst würde sie nicht so tief in die Tasche greifen. Denn Bonn hat das belgische Unternehmen in die Spielbank eingeladen und zahlt den gesamten Einsatz.

Nun ist es ja schön, daß unser Wirtschaftsminister, der sonst immer der Meinung ist, daß für die Wirtschaft allein die Bosse zuständig sind und der Staat sich raushalten soll, daß der jetzt einsieht, daß sich manche Probleme doch nicht von selbst lösen. Ungünstig ist nur, daß ihm das erst jetzt einfällt, wo außer Eko Stahl nicht mehr viel da ist, was man erhalten könnte. Unternehmer wissen, wann der Verhandlungspartner mit dem Rücken zur Wand steht. Da wird's dann leicht etwas teurer.

Die 910 Millionen an Subventionen, von denen immer die Rede ist, sind nämlich nur ein Teil. Mit allen Regional- und Treuhandhilfen zusammen blättern Bund und Land 1,3 Milliarden Mark für Eko Stahl auf den Tisch. Das Ganze für 2.200 Arbeitsplätze, von denen einige zusätzlich mit dem Verlust von Arbeitsplätzen an anderen Standorten in Ostdeutschland bezahlt werden.

Mit den 700.000 Mark für jeden Eko-Arbeitsplatz ließen sich aber vielleicht auch sinnvollere Sachen machen. Vorausgesetzt allerdings, daß man keine ideologischen Schranken im Kopf hat. Es gibt genügend Studien, die nahelegen, daß man mit dem Geld locker das drei bis vierfache an Arbeitsplätzen schaffen könnte. Die Experten für Regionalbeihilfen in der Europäischen Kommission rechnen sogar vor, daß 1,3 Milliarden Mark normalerweise für 10.000 neue Arbeitsplätze reichen würden. Gerade in Ostdeutschland, sagen sie, ließen sich durch Zuschüsse an kleine und mittlere Betriebe sehr viel mehr Leute in Lohn und Brot bringen als durch neue Warmwalzstraßen.

Das wäre nicht nur ökologisch sinnvoller – überflüssigen Stahl herzustellen ist nicht besonders umweltfreundlich –, sondern auch sozialpolitisch. Stahlarbeitsplätze sind alles andere als sicher. Wer eine Krisenregion sucht, muß nur schauen, wo Stahl hergestellt wird. Es gibt wenig Stahlwerke in Europa, die rentabel sind. Und keines, das rentabel bleibt, wenn es nicht kontinuierlich Arbeiter entläßt. Das einzige, was man mit Stahlsubventionen erhält, ist die Krise.

Das Problem ist nur, daß die Bundesregierung ziemlich lange zugeschaut hat, wie im Osten die Arbeitsplätze den Bach hinuntergegangen sind und daß sie jetzt unter Druck steht. Sie hatte nie ein Konzept, welche Arbeitsplätze sie im Osten erhalten oder neu schaffen will. Rexrodts Partei- und Kabinettskollege Kinkel hat einmal gesagt, die deutsche Einheit werde sich schon „zurechtrütteln“, was in etwa das konzeptionelle Rüstzeug von Kohl/Kinkel beschreibt.

In Ostdeutschland sind in fünf Jahren ein paar Millionen Arbeitsplätze verschwunden, aber immerhin auch ein paar Millionen, wenn auch weniger als die verschwundenen, neu entstanden. Die Regierung hat die Chance verpaßt, Kriterien festzulegen, welche Branchen sie fördern will und welche besser nicht. Ihr war es wichtiger, den Eigentumsbegriff neu zu beleben. Mit dem unseligen Beschluß „Rückgabe vor Entschädigung“ hat sie den Grundstein für das Mosaik ungeklärter Ansprüche gelegt, das reihenweise Investoren entmutigt hat und heute noch in vielen ostdeutschen Gemeinden die Neuansiedlung von Betrieben blockiert.

Wer sich Investoren auf diese Art und Weise vom Leibe hält, der muß dann irgendwann rudern, damit er überhaupt noch Interessenten findet. Der unsinnige hohe Preis für Eko Stahl ist eine der vielen Quittungen für den gescheiterten Versuch, die Einheit zurechtrütteln zu lassen.