Bißchen Inzest

■ Der Fernsehfilm "Die Schamlosen", heute 19.25 Uhr, ZDF

Rita ist entrüstet. Und als sie sich später endlich in Freddis starke Arme werfen kann, ist sie immer noch fix und fertig. Hatte sie sich doch bei einer Fernseh- Stripshow nur deshalb beteiligt, um als Sängerin entdeckt zu werden, und dann hatten ihr die Männer immer nur auf die Titten geglotzt. Nun gut, manch andere hätte vielleicht geahnt, daß bei so was die Zielgruppe selten auf schöne Stimmen aus ist, aber Rita ist da eben anders. Ein bißchen naiv vielleicht, manchmal romantisch und jedenfalls schwer anlehnungsbedürftig.

Aber das Programm „selbstbewußt-trotzig“ kann sie auch. Vor allem aber ist Rita ein guter Mensch. Im Altenheim, wo sie arbeitet, läßt sie sich schon mal geduldig von alten Opas begrapschen. Nicht etwa, weil sie Gefallen daran fände. Gott bewahre! Nein, nur weil sie Mitleid hat mit den armen Alten. Und wegen der ganzen Kälte und so. Als eines Tages der „King“, der aus dem Altersheim ausgebüxt ist, vor ihrer Wohnungstür steht, nimmt sie ihn natürlich auf und kümmert sich rührend um ihn. Bis zum bitteren Ende.

Ritas Bruder Freddi ist auch gut. Zwar erpreßt er als Kaufhausdetektiv manchmal ein paar Langfinger, aber ansonsten hat er ein gutes Herz. Vor allem, wenn es um Rita geht. Freddi liebt nämlich Rita, und Rita liebt Freddi. Zumindest seit ihre Eltern bei einem Unfall ums Leben gekommen sind und die beiden zusammen wohnen.

Mit „Die Schamlosen“ liefert Horst Johann Sczerba, bislang als Autor so famoser Fernsehstücke wie der Tatort „Blutwurstwalzer“ und „Kinderspiele“ in Erscheinung getreten, sein Regiedebüt ab. Und das ist ihm leidlich mißlungen. Zwar gibt's da ein paar originelle Dialoge (das Buch ist auch von ihm), und den ein oder anderen Regieeinfall kann man ihm auch nicht absprechen: Wenn der Moderator der Stripshow den Werbeblock androht, kommt auch im ZDF Werbung. Aber ansonsten mutet das Ganze eher an wie „Der kleine Prinz“ im Land der Bösewichter.

Der Titel ist natürlich nur Anspielung auf die Ignoranz der bösen Umwelt gegenüber diesem herzensguten und überaus keuschen Geschwisterpaar. Der Inzest bleibt latent und findet hier natürlich nicht statt. Zwar läßt Sczerba Freddi seine Rita schon mal heimlich im Bad beäugen, aber mehr ist nicht.

Bleiben die beiden Hauptdarsteller: Meret Becker und – wer sonst – Jürgen Vogel. Und die mühen sich redlich, haben ihre gelungenen Szenen, können jedoch vor soviel Holzschnitt ihrer Figuren letztlich auch nur kapitulieren. Reinhard Lüke