■ Die UNO erlaubt Nato-Angriffe auch in Kroatien
: Zögerlich und zaghaft

Napalm und Splitterbomben, Waffen, deren schreckliche Wirkung der Vietnamkrieg einst einer schockierten Weltöffentlichkeit vor Augen geführt hat und die vom internationalen Recht längst geächtet sind, sorgten am Wochenende erneut für Schlagzeilen. Serbische Kampfbomber flogen aus der UNO- Schutzzone in Kroatien auf, um die tödliche Fracht in unmittelbarer Nähe der UNO-Schutzzone Bihać in Bosnien abzuwerfen. Der UN-Sicherheitsrat mußte reagieren. Sehr zögerlich und sehr zaghaft hat er sich wohl auf den kleinsten gemeinsamen Nenner seiner fünf ständigen Mitglieder geeinigt. Künftig werden die Kampfbomber der Krajina-Serben nun wohl — wie diejenigen der bosnischen Serben schon lange – auf dem Boden bleiben. Im übrigen darf serbische Artillerie weiter die belagerte Bevölkerung beschießen – auch mit Granaten und Raketenwerfern.

Anders als in Sarajevo und Goražde hat der UN-Sicherheitsrat für die muslimische Enklave im Nordwesten Bosniens nämlich keine Sperrzone für schwere Waffen verfügt. Sowohl die britische wie die französische Regierung hatten sich vergangene Woche explizit gegen die Einrichtung einer solchen Zone ausgesprochen. So hat das höchste Organ der Vereinten Nationen am Sonntag also lediglich die Lufthoheit der Nato auf das serbisch besetzte Gebiet Kroatiens, das seit bald drei Jahren eine UN-Schutzzone ist, ausgedehnt und damit Schläge gegen Ziele auch in Kroatien ermöglicht. Ansonsten gilt weiterhin, daß die Schutzzone im Nordwesten Bosniens auf die Stadt Bihać begrenzt ist und den weitaus größeren Rest der Enklave nicht umfaßt. Und weiterhin gilt auch, daß die Schutzzone dem Schutz der dort stationierten Blauhelme dient und nicht etwa dem Schutz der Bevölkerung. Einen Auftrag, diese wirksam zu verteidigen, haben die UN-Truppen bis heute nicht.

Im übrigen rächt sich jetzt eine alte Unterlassungssünde. Vor fast drei Jahren haben sich die Vereinten Nationen verpflichtet, in der Krajina, einer UN- Schutzzone, die Staatshoheit Kroatiens wiederherzustellen, die Milizen zu entwaffnen und die Flüchtlinge zurückzuführen. Nichts von all dem ist geschehen. Vergeblich hat Präsident Tudjman die Erfüllung der Zusagen eingeklagt. Die Gefahr, daß Kroatien die Gunst der Stunde nutzt, um die besetzten Gebiete, von denen aus sein Bündnispartner Bosnien angegriffen wird, zurückzuerobern, die Gefahr also, daß der Krieg die Grenzen Bosnien-Herzegowinas sprengt, ist noch lange nicht gebannt. Ohne eine Lösung des Konflikts in Kroatien, das haben die Krajina-Serben eindrucksvoll gezeigt, ist eine Lösung in Bosnien-Herzegowina nicht zu haben. Thomas Schmid