■ Schäuble will Geheimdienstausschuß den Grünen öffnen
: Geheim und gemein

Es liegt wohl nicht nur am Trauermonat November, wenn einem jetzt die Tränen kommen. Da sollen grüne Uraltforderungen endlich erfüllt werden. Da soll mit grüner Kontrolle der Geheimen ein längst fälliger Normalzustand einkehren. Schließlich gab es wegen der Aussperrung sogar einmal Buttons mit der Aufschrift „ParlamentarierIn zweiter Klasse“. Schließlich wurde, wenn auch vergeblich, das Bundesverfassungsgericht bemüht. In den Bundesländern sitzen bündnisgrüne VolksvertreterInnen inzwischen in acht Geheimdienstausschüssen, ohne daß dies per se noch irgendwelchen Nachrichtenwert hätte. Unbestritten sind hier die schärfsten Kritiker der Geheimdienste auch die engagiertesten Kontrolleure, gelingt es ihnen wenigstens zum Teil, eine öffentliche Befassung mit und damit eine Entmythologisierung der „Dienste“ zu erreichen. Dabei wird die Frage, ob Parlamentskontrolle etwas bringt oder primär Alibifunktion hat, durchaus kontrovers beantwortet. Bonner Erfahrungen können hier nur nützlich werden.

Aber dann wird dieser verspätete Einzug in die Gralsburg des Geheimen ausgerechnet vom Rollstuhl aus verkündet. Wird er zum zweiten Akt der Posse Schwarz-Grün, einem echten Volksstück – im Sinne von das Volk bewegend. Dabei ist selbst die Koautorenschaft Schäuble-Fischer umstritten und ungeklärt.

Müßig nun, darüber zu spekulieren, ob Schäuble nur Rudolf Scharping zum zweiten Mal vorführen will oder ob er die Grünen in sein Boot der Nation als Schutz-Trutz- und Wertegemeinschaft ziehen will. Er tut das eine und versucht das andere. Der Rufschaden bleibt bei den Bündnisgrünen. Man täusche sich nicht. Der – hier sicher falsche – Eindruck des Kungelns mit der CDU wird nicht nur von beleidigten Sozialdemokraten beschworen. Die spielen eher die alberne Rolle des sich verschmäht fühlenden Liebhabers, der in der Vergangenheit noch jeder anderen häßlichen Braut, heiße sie FDP oder Statt Partei, eher den Hof machte. Nein, die Erkenntnis ist allgemein, daß in der Politik jede Leistung mit einer Gegenleistung verbunden ist. Wie sollte es hier anders sein?

Es sollte und es muß anders sein. Sowenig wie man Antje Vollmer erschrocken zurückziehen konnte, nachdem die CDU die Bereitschaft zu ihrer Wahl verkündete, kann nunmehr auf die Kontrollsitze verzichtet werden. Aber bitte schön, sie sollten anders genutzt werden, als es sich Herr Schäuble vorstellt. Bundesdeutsche Geheimdienste, die unter anderem den iranischen Geheimdienstminister Fallahian zu freundlichen Gesprächen und Besichtigungen empfangen, sind ja wohl nichts anderes als Augiasställe, die ihrer Ausmistung seit Jahrzehnten harren. Hier – und nicht im Quatschen über Grün-Schwarz – liegt eine tatsächliche Aufgabe. Wolfgang Wieland

Vorsitzender der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Berliner

Abgeordnetenhaus