Soldat stach zu

■ Das Opfer hatte ihn „Nazi-Schwein“ geschimpft / Staatsanwalt: Notwehr

Berlin (taz) – Mehr als 500 Menschen zogen am Samstag in einem Trauermarsch durch das hessische Rotenburg. Sie gedachten des toten Piotr K. Der 18jährige Pole war vor vierzehn Tagen von einem Bundeswehrsoldaten auf dem Bahnhofsvorplatz erstochen worden, sein 17jähriger Freund wurde verletzt. Sie gehören zur örtlichen Antifa-Szene.

Am vorletzten Sonntag waren sie mit der Bahn nach Rotenburg gefahren, wo drei Freunde sie auf dem Bahnsteig erwarteten. Im Zug war auch eine Gruppe Bundeswehrsoldaten. Einer von ihnen trug Springerstiefel und ein T-Shirt mit aufgedruckter Reichskriegsflagge. Als sie an den Jugendlichen vorbeiliefen, rief Piotr ihnen zu: „Scheiß Nazi-Schweine“. Aus dem Zuruf sei eine wechselseitige Beschimpfung geworden, sagen seine Antifa-Freunde. Gegenüber der taz geben sie an, die Jugendlichen hätten den Soldaten den Weg in die Stadt abschneiden wollen. Piotr sei dem Kahlrasierten mit dem T-Shirt hinterhergelaufen. Als er ihn eingeholt hatte, habe dieser sich umgedreht und sofort mit dem Messer zugestochen. Der Stich traf Piotr in die Herzkammer, er war sofort tot. Sein Freund, der ihm helfen wollte, wurde leicht mit dem Messer verletzt.

Der Soldat stammt aus Halle und leistet in Rotenburg seinen Wehrdienst ab. Er habe nicht die Absicht gehabt, jemanden zu töten, nahm ihn der zuständige Staatsanwalt Fenner in Schutz. Er habe in einer „Paniksituation um sich gestochen, um frei zu kommen und nicht mehr belästigt zu werden“. In Haft genommen wurde der Täter nicht. Die Bundeswehr zeigte sich „sehr betroffen“. Rüde lösten Polizisten die Mahnwache auf, die Piotrs Freunde nach der Tat am Bahnhof abhielten; sie zertraten Blumen und Kerzen. Auch am Samstag ließen sie die Jugendlichen nur unter erschwerten Bedingungen trauern. Beamte im Kampfanzug liefen links und rechts Spalier, Demonstranten, von außerhalb mit dem PKW angereist, wurden kurzerhand für die Dauer der Demo am Straßenrand aufgehalten. Annette Rogalla