Lübecker Synagogen-Brandstifter vor Gericht

■ Prozeß in Schleswig findet unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen statt

Acht Monate nach dem Brandanschlag auf die Synagoge in Lübeck beginnt am kommenden Donnerstag (24.11.) in Schleswig der Prozeß gegen die vier mutmaßlichen Täter. Vor dem II. Senat des schleswig-holsteinischen Oberlandesgerichts müssen sich zwei 20jährige Männer sowie ein 22jähriger und ein 25jähriger aus Lübeck wegen fünffachen Mordversuchs und schwerer Brandstiftung verantworten.

Die Angeklagten, die der rechtsradikalen Szene zugeordnet werden, befinden sich seit dem 2. Mai in Untersuchungshaft. Sie sollen am 25. März dieses Jahres Molotow-Cocktails in einen Seiteneingang des jüdischen Gotteshauses geworfen und es so in Brand gesetzt haben. Zur Tatzeit lebten im ersten und zweiten Obergeschoß der Synagoge mehrere Familien. Da das Feuer rechtzeitig entdeckt und gelöscht werden konnte, wurden keine Menschen verletzt. Es entstand jedoch hoher Sachschaden. Drei der Beschuldigten haben Teilgeständnisse abgelegt.

Vor Weihnachten sind insgesamt zehn Prozeßtage angesetzt. Senatsvorsitzender ist Hermann Ehrich. Er leitete bereits das Verfahren gegen die beiden jungen Männer, die vor zwei Jahren in Mölln durch einen Brandanschlag drei Türkinnen ermordet hatten und dafür im Dezember 1993 zu lebenslanger bzw. zehnjähriger Haft verurteilt wurden. Wie bei dem Prozeß vor einem Jahr wurden auch diesmal besondere Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Die Hauptverhandlung findet im einem Saal statt, in dem der Zuschauerbereich mit einer Spezialglaswand von den Prozeßbeteiligten abgetrennt wurde.

Der Lübecker Synagogen-Brand hatte weltweit Aufsehen erregt: Zum ersten Mal seit der Nazi-Herrschaft war in Deutschland ein jüdisches Gotteshaus wieder Ziel eines Anschlags geworden. Die Hansestadt Lübeck versucht seitdem, mit vielfältigen Aktivitäten Kontrapunkte zu der schrecklichen Tat zu setzen, zuletzt am 9. November - dem Jahrestag der Reichspogromnacht. Lübeck sei, so betonte der Sprecher der dortigen Staatsanwaltschaft, Oberstaatsanwalt Klaus-Dieter Schulz, trotz des Brandanschlages keine Hochburg rechtsextremistischer Gewalttäter. „Die Zahl der strafrechtlich in Erscheinung getretenen Anhänger rechtsextremistischen Gedankengutes ist verschwindend gering“, sagte Schulz in einem Gespräch mit der Deutschen Presseagentur dpa.

Nach Erkenntnissen der Polizei, bei der seit Oktober 1992 eine besondere Ermittlungsgruppe für „fremdenfeindliche Straftaten“ zuständig ist, umfaßt die gesamte rechte Szene in Lübeck nicht mehr als 100 Personen - Reste der früheren Lübecker Skinszene, einige gewalttätige Fußballfans und einige Altnazis, erläutert Werner Thiele, der stellvertretende Leiter der Ermittlungsgruppe; sie bilden nach seinen Worten „keine geschlossene Szene“.

Die Lübecker Ergebnisse der Bundestagswahl am 16. Oktober scheinen den beiden Männern recht zu geben: Die rechtsextremen Republikaner sackten von zwei Prozent, die sie 1990 errungen hatten, auf Null. ch/dpa