Abschiebestopp für Kurden vor Aufhebung

■ Innenministerkonferenz wird sich auf einheitiche Regelung kaum einigen

Berlin (taz) – Die Innenminister von Bund und Ländern werden sich am Donnerstag auf ihrer turnusmäßigen Konferenz voraussichtlich auf keinen weiteren Abschiebestopp für türkische Kurden einigen können. Damit hätte auch der bisher gültige Abschiebeschutz in den SPD-regierten Bundesländern kaum eine Chance auf Verlängerung.

Angesichts der Lageberichte aus der Türkei hatten die SPD- Länder im Mai in Eigenregie einen Abschiebestopp für Kurden erlassen. In einigen Ländern galt er nur für die besonders bedrohten Notstandsprovinzen im Südosten der Türkei, andere setzten die Abschiebung für Kurden aus der Türkei generell aus.

Nach dem neuen Ausländergesetz können die Länder jedoch längstens sechs Monate in Eigenregie handeln. Dann bedarf die Anordnung „des Einvernehmens mit dem Bundesminister des Inneren“. Ende November läuft in den meisten Ländern diese Frist ab, und mit einem „Einvernehmen“ des Bundesinnenministers ist auf der Innenministerkonferenz in Magdeburg nicht zu rechnen. Auch Bayerns Innenminister Beckstein, nach einem jüngsten Besuch in der Türkei selbsternannter Experte, hat verkündet: „Eine generelle Verfolgung von Kurden oder christlichen Minderheiten in der Türkei gibt es sicher nicht.“

Etliche Bundesländer werden dennoch einen Antrag auf Verlängerung des Abschiebestopps stellen. Den weitestgehenden Antrag dazu hat Hessen eingebracht. Unter Berufung auf die Lageberichte des Auswärtigen Amtes fordert der hessische Innenminister Bökel eine nochmalige sechsmonatige Aussetzung der Abschiebung für Kurden aus allen türkischen Regionen, da es auch „im Westen der Türkei immer wieder zu Folterungen und Mißhandlungen im Polizeigewahrsam komme“ – eine Lageeinschätzung, die jetzt auch in einem neuen Gutachten der Schweizerischen Flüchtlingshilfe bestätigt wird. Hessen bezweifelt indessen, daß es rechtlich zwingend sei, nach sechs Moanten eine bundeseinheitliche Regelung zu finden. Aus der vom Gesetz geforderten Wahrung der Bundeseinheitlichkeit lasse sich kein Vetorecht einzelner Länder oder eines einzigen Bundeslands gegen eine beachtliche Mehrheit ableiten.

Ob sich Hessen mit dieser Rechtsauffassung duchsetzen wird, ist allerdings fraglich. Bisher gültige Abschiebestopps der Länder wurden in der Vergangenheit regelmäßig ausgehebelt, wenn der Bundesinnenminister oder ein anderes Bundesland dagegen waren. Letzte Chance für die Betroffenen sind dann nur noch die Verwaltungsgerichte, die im Wege der konkreten Einzelfallprüfung humanitäre oder politische Abschiebehindernisse geltend machen können. Vera Gaserow