Von Irland lernen heißt absägen lernen

■ Der britische Premierminister John Major und seine randalierenden Hinterbänkler

Dublin (taz) – Es hat lange gedauert, bis der britische Premierminister John Major seine rebellischen Hinterbänkler durchschaut hatte. Anfangs zog er stets den Schwanz ein, wenn das Säbelrasseln des Tory-Fußvolkes zu unheilvoll erschien. Bei der Abstimmung über die Maastrichter Verträge drehte er den Spieß zum ersten Mal um und drohte mit Neuwahlen. Prompt kniffen die Hinterbänkler – wußten sie doch genau, daß eine ganze Reihe von ihnen bei Neuwahlen zum Parlament auf der Strecke geblieben wären.

Major merkte sich den Trick und wandte ihn seitdem in kritischen Situationen gerne an – zuletzt beim Gesetz über die EU-Finanzierung, das in der vergangenen Woche ins Unterhaus eingebracht wurde. Zunächst funktionierte der Wink mit der Wahlurne, doch seit Wochenbeginn regen sich die Euro-Rebellen wieder, die Augen fest nach Westen gerichtet: Dort liegt Irland, und die irische Regierungspartei hat gerade ihren Parteivorsitzenden und Premierminister geopfert, um Neuwahlen zu vermeiden, bei denen sich das Volk unweigerlich für die Missetaten der Partei gerächt hätte.

Hinter vorgehaltener Hand verraten die Tory-Hinterbänkler jedoch, daß Major eine Galgenfrist bis nächsten Herbst hat. Nicht etwa weil man glaubt, daß er bis dahin zum beliebten Staatsmann mutiert – ganz im Gegenteil: Man erwartet, daß er dann vollends abgewirtschaftet hat und ein kleiner Schubs genügt, um ihn abzusägen.

Tatsächlich arbeitet der Premierminister bereits fleißig an seiner eigenen Demontage. Ausgerechnet die Financial Times enthüllte ein internes Regierungs-Memorandum, das der stellvertretende Parteivorsitzende John Maples für seinen Premierminister geschrieben hatte. Darin wird die Regierungsstrategie der kommenden zwölf Monate umrissen: Zum einen wollen die Tories ein paar Gesetze einbringen, die einem Zerwürfnis zwischen Labour-Chef Tony Blair und seiner Partei möglichst förderlich sein sollen. Zum anderen soll Major „ein paar Rabauken von den Hinterbänken dafür abstellen, um Blair ein bißchen zu zerzausen“. Wie das geht, wurde vor einer Woche eindrucksvoll demonstriert. Dreizehn Tories störten Blair in seiner halbstündigen Rede durch Zwischenrufe, nebelhornartige Geräusche und Fußstampfen empfindlich. Die besten Rabauken werden zu Parlamentssekretären befördert.

Unangenehm nur, daß Major im Frühjahr den Krawallmachern in Großbritanniens Innenstädten lautstark den Kampf angesagt hat. Vielleicht könnte er sie ja alle ins Unterhaus holen? Er hat kaum Alternativen. „Wenn Blair so gut ist, wie er aussieht, bekommen wir Probleme“, heißt es in dem Memorandum. Die WählerInnen glauben den Tories kein Wort mehr, bedauert Maples: Die Reichen werden „auf Kosten der restlichen Bevölkerung immer reicher“, und die „Regierung schießt sich ständig selbst in den Fuß“. Besonders schlechte Karten haben die Tories bei der Gesundheitspolitik, glaubt Maples: „Das beste, was uns bei diesem Thema in den nächsten zwölf Monaten passieren kann, ist null Medienberichterstattung.“ Die Labour Party wird an dem Memorandum noch viel Freude haben. Ralf Sotscheck