Angolas Wirtschaft am Ende

Bürgerkrieg ließ von der Wirtschaft nicht viel übrig / Nach der Unterzeichnung des Friedensvertrages bauen Investoren vor allem auf Erdöl  ■ Aus Luanda Willi Germund

Margareta tauscht Geld – angolanische Kwanzas gegen US-Dollars. Manuel versucht seit vier Tagen, ein Paar Turnschuhe an den Mann zu bringen. Sampaio wäscht die Autos der portugiesischen und brasilianischen Militärberater, die im Hotel Império untergebracht sind. Der kleine und schmächtige Paolo kam erst vor drei Wochen in der Rua Sequeira Lokoki im Zentrum der angolanischen Hauptstadt Luanda an – nach sechsmonatigem Marsch aus der 500 Kilometer entfernten Hochland-Stadt Huambo. Nachts schläft er auf den Steinstufen einer Herberge, tagsüber verdient er sich ein paar Pfennige mit dem Bewachen von Autos. Die Rua Sequeira Lokoki wimmelt von Beweisen, daß es miserabel um die Wirtschaft des Landes steht.

Polizisten verdienen monatlich etwa 1,2 Millionen Kwanzas, jämmerliche zwei US-Dollar. Sie bessern ihre Gehälter durch frech eingeforderte Schmiergelder bei Straßenkontrollen auf. Wie anders sollen sie überleben: Ein Kilo Fobe de Bombo, Maniokmehl, kostet 250.000 Kwanzas. Manuel macht mehr Profit, wenn er seine Turnschuhe verkauft, als wenn er einen Monat lang einer geregelten Arbeit nachgeht.

Der seit der Unabhängigkeit im Jahr 1975 andauernde Bürgerkrieg zwischen den sozialistischen Regierungstruppen und der Rebellenorganisation Unita hat die Wirtschaft völlig ruiniert. Die Industrie des Landes wird gegenwärtig zu nur 20 Prozent ihrer Kapazität genutzt. Nur noch 70.000 der elf bis zwölf Millionen Einwohner sind in der Industrie beschäftigt. 1973, zwei Jahre vor der Unabhängigkeit, exportierte Angola 283.000 Tonnen Nahrungsmittel, in diesem Jahr sind es vielleicht noch 4.000 Tonnen. Luandas Hafen wird kaum noch von Schiffen angelaufen.

Auch die Zigarettenfabrik steht vor dem Aus – sie kann die Billigverpackungen für die Glimmstengel nicht mehr bezahlen. 1993 mußten die Angolaner eine Inflation von 1.838 Prozent überstehen, 1994 sollen es immer noch satte 500 Prozent sein.

Der angolanische Staat ist bankrott. In den letzten Jahren steckte die Regierung fast alle Mittel in den Krieg. Auf 3,5 Milliarden US-Dollar werden die Ausgaben für Waffen seit 1993 geschätzt. Nach Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) mußte der afrikanische Staat in diesem Jahr 1,595 Milliarden US-Dollar an Kreditzinsen und -tilgungen abzahlen. 1995 ist mehr als die doppelte Summe fällig. Die gesamte Außenverschuldung Angolas beträgt 11,2 Milliarden US-Dollar. 61 Prozent davon müssen an Rußland zurückgezahlt werden zur Tilgung der Schulden, die zu Zeiten des Kalten Krieges gemacht wurden.

Die Einkünfte aus der Fischerei, neben der Ölproduktion der einzige Wirtschaftsbereich des Landes, der nicht wesentlich vom Krieg beeinträchtigt wurde, erscheinen nicht einmal mehr in den staatlichen Statistiken. Wenn die spanische Fischereiflotte zum Beispiel in angolanischen Gewässern fischt, muß sie keine Gebühren zahlen, weil diese gleich mit spanischen Krediten an Angola verrechnet werden. Aber die Küstengewässer sind leergefischt: 1972 hatten die Flotten noch 700.000 Tonnen aus dem Atlantik vor Angola geholt; dieses Jahr sind es nur 300.000 Tonnen. Wenigstens für die Diamantenindustrie, deren Einkünfte von 1992 auf 1993 von 250 auf 15 Millionen US-Dollar schrumpften, besteht wieder Hoffnung, nachdem die Regierung die Abbaugebiete zurückeroberte.

Daß Angola überhaupt noch geschäfts- und damit kriegsfähig ist, verdankt die Regierung unter Präsident Eduardo dos Santos in erster Linie den Ölfeldern vor der Küste. Die Tagesproduktion stieg 1994 wieder von kriegsbedingten 504.000 Barrel (je 159 Liter) pro Tag auf 550.000 – vor allem dank den Anstrengungen der französischen Ölfirma Elf. 1994 werden Einnahmen von 400 Millionen US- Dollar erwartet. Im kommenden Jahr könnte ein erwarteter höherer Ölpreis zusammen mit einer Produktionssteigerung etwa drei Milliarden einbringen.

Es sind solche Zahlen, die ausländische Unternehmen und Staaten anlocken. Das südafrikanische Söldnerunternehmen „Executive Outcome“ läßt sich seine Dienste nach südafrikanischen Angaben mit einem Ölvertrag über 90 Millionen US-Dollar entlohnen. Murray & Roberts & Dorbyl verdienen 80 Millionen mit dem Bau von zwei Bohrinseln. Die französische Regierung hatte ihr Entwicklungshilfeinstrument „Coopération Française“ und die „Caisse Française de Developpement“ vorgeschickt, um einen Fuß in die Tür zu zwängen.

Denn sollte der vergangenen Sonntag unterzeichnete Friedensvertrag zwischen den angolanischen Bürgerkriegsparteien tatsächlich zu einer Befriedung des Landes führen, könnte das total zerstörte Land nicht nur zum Kreuzungspunkt des frankophonen, des portugiesisch- und des englischsprachigen Afrika werden. Sein Reichtum an Mineralvorkommen, die Ölvorkommen und die Fischschwärme vor der Küste bieten die Grundlage für eine möglicherweise glänzende wirtschaftliche Zukunft. Vorher muß freilich nicht nur der Krieg tatsächlich beendet werden, sondern auch die Geschäftspraktiken müssen sich ändern.

Wer gegenwärtig bei Geschäften mit Angola zu seinem Geld kommen will, muß auf Vorausbezahlung bestehen. Sonst wird es Exporteuren ergehen wie kürzlich einer Berliner Firma. Sie lieferte – und wartet immer noch auf ihr Geld. Und selbst ein Waffenstillstand ist in Angola lange keine Garantie für einen Frieden, wie die Münchener Rückversicherung schon 1992 lernen mußte. Sie wollte das „Hotel Tourismo“, gleich um die Ecke von der Rua Sequeira Lokoki, damals Bleibe von Funktionären der Rebellenorganisation Unita, aufkaufen. Das Gebäude wurde völlig zerschossen – eine Woche vor Unterzeichnung des Kaufvertrags.