High Court Von Mathias Bröckers

Wie eine Weinprobe verläuft, weiß jeder, auch die Zungenkniffe und Gurgeltricks, mit denen die wahren Wein-Experten zur Sache gehen, sind weitgehend bekannt. Wie aber, verdammt noch mal, verläuft ein Cannabis-Test?

Diese Frage schwirrte mir durchs Hirn, seit vor einigen Wochen die Einladung ins Haus flatterte, als official judge am „High Times Cannabis Cup“ in Amsterdam teilzunehmen. Das New Yorker High Times-Magazin versorgt seit zwanzig Jahren amerikanische Marihuana-Liebhaber mit Informationen und großformatigen Fotos – statt eines aufklappbaren Playmates ziert das Blatt der „Bud of the Month“, die Blüte des Monats. Seit sieben Jahren veranstaltet die High Times in Amsterdam den Cannabis-Cup, die „offizielle“ Prämierung der besten Marihuana-Sorte. Außer dem Stöffchen, das aus holländischen Treibhäusern kommt, eine rein amerikanische Angelegenheit, die freilich aufgrund der Gesetzeslage weit weg von Gods own country stattfindet. Für den harten Kern der High Times-Leserschaft ein willkommener Anlaß, den Pauschaltrip nach Amsterdam zu buchen. Statt der 500 erwarteten TeilnehmerInnen waren in diesem Jahr 1.200 eingeflogen, um eine Woche lang nach Herzenslust „der schönsten Hauptsache der Welt“ (W. Neuss) zu frönen – als official judge.

Meine Überraschung war nicht schlecht, als ich feststellte, daß dieser Posten nichts Besonderes war – nahezu alle trugen den farbenfrohen Schiedsrichter-Ausweis, dessen einziger Vorteil in einem 10-Prozent-Rabatt in den Coffee- Shops bestand. „Was ist das für eine Jury, wo die verkosteten Produkte auch noch bezahlt werden müssen?“ frage ich Jack Herer, den Häuptling und Hirten der amerikanischen Hänflinge. Hatte er mir nicht erzählt, wie man ihn in den Vorjahren mit Unmengen von feinstem Gras abgefüllt hatte? Dieses Jahr, so erfahre ich, wird erstmals „demokratisch“ gewählt, alle Teilnehmer und nicht nur eine erlauchte Jury geben ihr Urteil ab. Kein Wunder also, daß für die Proben bezahlt werden muß – for free hätten die tausend eingeflogenen Potheads in dieser einen Woche sämtliche holländischen Treibhäuser weggeputzt. Angesichts der Verhältnisse zu Haus, wo eine Unze feines Gras mittlerweile teurer ist als Gold, sind aber auch 25 Gulden für einen fetten Bud geradezu geschenkt. Einige ausgewählte Connaisseurs erhalten jedoch von den Züchtern besonders abgefüllte Gratisproben – und so kamen wir nach dem „V.I.P.“-Dinner (400 alte Hippies im schnieken „Okura“-Hotel: „Cannabis-Smoking not allowed“) doch noch zu unserem Probe-Schnäppchen. Nur: Wie testet man sieben Sorten in einer Stunde?

Das „Judges Council“ tagt fünf Tage lang jeden Abend, die in die Coffee-Shops ausgeschwärmten Richter diskutieren und beraten über Geschmack, Geruch und Qualität des High – mit Feuereifer und dicken Bongs. Das Endergebnis stand bei Redaktionsschluß noch nicht fest – unser Kurztest ergab ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen einer neuen Haze-Züchtung namens „Jack Herer“, die sich durch starke Wirkung und Salbei- milden Geschmack auszeichnete, und einer tatsächlich an Kaugummi erinnernde Sorte von ballonartiger Leichtigkeit: Bubble Gum.