■ Press-Schlag
: Auf Joe Hills Spuren

Beim ersten Weltcup-Riesenslalom landete Pernilla Wiberg in der Absperrung, beim Slalom fiel sie nach Führung im ersten Lauf noch weit hinter Siegerin Vreni Schneider (Schweiz) auf Rang vier zurück. In einer anderen Disziplin setzte die Schwedin in Park City jedoch Zeichen. Bei den Skiläuferinnen gärt der Protest gegen den Internationalen Skiverband (FIS), und Pernilla Wiberg scheint entschlossen, diesen Protest zu organisieren. In Utah, nur wenige Meilen von der Gegend entfernt, wo ihr Landsmann Joe Hill agitierte und die Bergarbeiter in seiner Organisation International Workers of the World sammelte, lud Pernilla Wiberg die Kolleginnen der Weltelite zum Protesttreffen. Fast alle kamen, auch solche wie die Österreicherin Karin Köllerer, deren Trainer ihr die Teilnahme angeblich verboten haben soll. Die Versammlung wählte Pernilla zur vorläufigen Sprecherin eines „Fahrerinnenrats“, welcher sich mit dem umstrittenen Abkommen befassen soll, das die Veranstalter weitgehend von juristischer Verantwortung und möglichen Schadenersatzansprüchen befreien soll.

Läuferinnen und Läufer waren letztendlich gezwungen, dieses Abkommen zu unterschreiben, womit das Thema aber für Pernilla Wiberg und ihren Fahrerinnenrat noch längst nicht abgeschlossen ist. Abgesehen davon, daß man sauer ist, wie die FIS das Thema behandelt hat – nach dem Todessturz von Ulrike Maier hatte die FIS den Vertragstext bereits im Mai ausgetüftelt, die Läuferinnen und Läufer aber erst wenige Tage vor Saisonstart damit konfrontiert, so daß kein Widerstand mehr zu organisieren war –, fühlt man sich über den Tisch gezogen. Zwar haben die meisten Landesverbände zwischenzeitlich Versicherungen für die Aktiven abgeschlossen, doch nicht nur Pernilla Wiberg hält ihre Unterschrift für ungültig; diese sei nicht rechtswirksam, da sie unter Druck und der Drohung, ansonsten nicht starten zu können, unterschreiben mußte. Auch wenn sie sich gegenüber den Medien äußerst streitlustig gibt, spricht die Schwedin bisher nicht von Streik. Wohl aber von anderen Themen, die ihr Läuferinnenrat aufgreifen will: von Sicherheitsmaßnahmen bis zu den Standorten für TV-Kameras und Fotografen.

Pernilla Wiberg ist nicht der erste schwedische Sportstar, der in die Fußstapfen des Gewerkschaftlers Joe Hill tritt. Ende der achtziger Jahre war es Mats Wilander, der der ATP, der Interessenorganisation der Tennisprofis, Power verlieh. Und sein Landsmann Jörgen Persson stand 1991 hinter der Initiative, mit der die Weltelite der Tischtennisspieler ihren Unmut über die Mißstände bei der Organisation großer internationaler Turniere Ausdruck gab. „Wenn die denken“, so Pernilla Wiberg, „wir springen weiterhin wie ängstliche Kaninchen herum – die Zeiten sind vorbei.“ Reinhard Wolff