■ In der Innenministerkonferenz diktiert die Minderheit die Politik: In Bürgerkriegsländer darf abgeschoben werden
: Taschenspielertrick

Gut alle sechs Monate kommt die Runde der Herren zusammen, zuletzt im Magdeburger „Herrenkrug“. Ihr Treffen nennt sich „ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder“, doch in Wirklichkeit verdient sie den Titel: „Ausländerminister-Konferenz“. Denn auf der Tagesordnung des Treffens dominieren die großen A: Ausländer, Asylbewerber, Abschiebung. Andere innenpolitische Fragen scheint es im schwierigen Nachwendedeutschland kaum zu geben. Und am Ende der Konferenz steht regelmäßig das große B – B wie Blockade.

Seit über einem Jahr blockieren sich die Innenminister von Bund und Ländern selbst: Die immer größer werdende Gruppe der sozialdemokratisch regierten Bundesländer – die sogenannten A-Länder – versuchen die Notbremse zu ziehen gegen eine inhumane Abschiebepolitik: gegen Abschiebungen in Kriegs- und Krisenregionen, in Staaten, in denen die Menschenrechte außer Kraft gesetzt sind, in Länder, wo übergeordnete Ordnungsstrukturen einer gewaltsamen Willkür Platz gemacht machen. Doch jedesmal können die B-Länder, die unionsregierten Länder mit dem Bundesinnenminister an der Spitze, die Schutzbegehren torpedieren. Weil das Gesetz bei einem Abschiebestopp Einvernehmlichkeit der Länder verlangt, herrscht Demokratie paradox: Eine kleine Minderheit blockiert die Mehrheit, und das beharrlich.

Die permanente Blockade haben die Sozialdemokraten sich und den Betroffenen zu Teilen selbst eingebrockt: Als die SPD im vorigen Sommer dem „Asylkompromiß“ zustimmte, rühmte sie sich, der CDU/CSU einen gesetzlich verbrieften Status für Bürgerkriegsflüchtlinge abgehandelt zu haben. Ein gutes Jahr später erweist sich: Die SPD hat zwar kräftig gezahlt, aber offenbar ohne Quittung und ohne das Kleingedruckte zu lesen. Denn danach bestimmt – einmal mehr im vertrackten Einvernehmen mit den Ländern – allein der Bundesinnenminister, wo Bürgerkrieg herrscht und wo nicht. Und wo die Weltsicht Manfred Kanthers zum Maß aller kriegerischen Dinge wird, herrscht Frieden allüberall auf der Welt. Gruppenverfolgungen, so machte er auf der Innenministerkonferenz jetzt unmißverständlich klar, existieren für ihn nicht. Wer Schutz in Deutschland sucht, muß seine Verfolgung individuell unter Beweis stellen. Ein Taschenspielertrick: Aus dem Bürgerkriegsflüchtling wird – Abrakadabra – ein chancenloser Asylbewerber, denn, so wollen es die Gerichte, Bürgerkrieg ist kein Asylgrund.

In einem Fall jedoch ist jetzt ein Taschenspieler dem anderen in die Quere gekommen: Die um diplomatische Anerkennung buhlende Regierung Rest-Jugoslawiens will abtrünnige und fahnenflüchtige Landsleute offenbar nur dann zurücknehmen, wenn Bonn ein Rücknahmeabkommen unterzeichnet, was eine indirekte völkerrechtliche Anerkennung bedeuten würde. Massenabschiebungen per Charterflug nach Belgrad, wie Berlin sie auf der Innenministerkonferenz beantragt hatte, scheitern damit bis auf weiteres an ihrer praktischen Undurchführbarkeit. Die Außenpolitik hat den Innenministern damit die blamable Logik ihrer Konferenz erspart: die Logik, nach der eine Mehrheit zwar abstimmt, aber eine Minderheit die Politik macht. Vera Gaserow