Nazi-Treffpunkt Landgericht

■ Der Prozeß gegen den Auschwitz-Leugner Althans vor dem Münchner Landgericht lockt alte und neue Nazis zur Videoshow

München (taz) – Das „Horst- Wessel-Lied“ ertönt, Marschmusik hebt an, dann immer wieder Kommentarstimmen. „Holocaust- Schwindel, Betrug, Propagandatrick“, tönt es aus den Lautsprechern des Fernsehgeräts. Die Zuhörer, die Jüngeren meist ganz in Schwarz gekleidet, die Älteren im Trachtenjanker oder bereits im Rollstuhl, können kaum ihre Begeisterung unterdrücken. Eine neonazistische Propagandaveranstaltung?

Mitnichten. Die Szene spielt sich regelmäßig im Münchner Landgericht ab. Dort sitzt die Kammer über den notorischen Auschwitz-Leugner Bela Ewald Althans zu Gericht. Der soll mit der Verbreitung von neonazistischen Machwerken, von alten „Wochenschau“-Ausschnitten und Leni-Riefenstahl-Filmen nicht nur gegen das Urheberrecht verstoßen haben, sondern auch der Volksverhetzung schuldig sein.

Mangels anderer Zeugen konzentriert sich die Beweisaufnahme auf die Sichtung einer Vielzahl von Videobändern, die bei Ewald Althans beschlagnahmt wurden – und das nun schon seit Tagen.

Während sich die Wachtmeister im Gerichtssal vor dem Fernsehgerät in Positur setzen und der Angeklagte mit stolzgeschwellter Brust seine Machwerke betrachtet, können die Protokollführerinnen ob der schlichten Dramaturgie der revisionistischen Streifen ein langgestrecktes Gähnen hin und wieder nicht unterdrücken. „Freispruch für Hitler“, „40 Jahre nur belogen“, „Hitler kommt“ – Stunde um Stunde.

Die Zuhörer sind voll bei der Sache. Die Sitzordnung im Gerichtssaal gönnt ihnen keinen einzigen Blick auf den Bildschirm. Sie sind auch mit dem Ton vollauf zufrieden.

Eine Propagandaveranstaltung? Die kostenlose Show hat sich inzwischen herumgesprochen. In der Postille des in Kanada lebenden Neonazis Ernst Zündel heißt es schlicht: „Landgericht Nymphenburger Straße, nicht vergessen! Unbedingt diesen Prozeß besuchen. Es werden dort viele Filme gezeigt werden.“ Bernd Siegler