Nicht gegeneinander, sondern gegen den Verkehr

■ Hastedt erwacht: 70 Leute bei der ersten Bürgerversammlung seit Jahren gegen die Georg-Bitter-Trasse

Der Klassenraum in der Schule an der Hohwisch quoll am Montag abend förmlich über – aber unter bunten Kinderzeichnungen saßen erwachsene Menschen, viele von ihnen 60 Jahre und älter. Eine 70-köpfige Versammlung hatte die Initiative „Hastedt und umzu“ schon lange nicht mehr gezählt. „Wir hatten ja nichts zu befürchten“, sagt Barbara Knocke von der Initiative, „denn es gab ja ein Moratorium“. Aber seit es so aussieht, als ob die Klage der AnwohnerInnen in der Stader Straße auf Rückbau der Straße gute Aussicht auf Erfolg hat, ist man ein paar Straßen weiter unruhig geworden.

Wenn das Oberverwaltungsgericht dabei bliebe, daß die Stader Straße wieder zur Wohnstraße werden muß, dann schwebt ein Damokles-Schwert über den Hastedter InitiativlerInnen, das zur Rush-Hour die Wirkung eines mehrmotorigen Sportflugzeugs erreichen könnte: „Georg-Bitter-Trasse“ heißt es und brächte Lärm und Gestank und den Verlust liebenswerter Grünflächen mit sich. Die Zeiten, wo man die Haustür öffnen konnte und der Dackel Waldi den Weg zum Baum und zurück von alleine fand, wären vorbei. Büsche und Bäume wären weg. An ihrer Stelle liefe eine womöglich sechsspuringe Straße durch's Gelände, befürchtet man.

Wenn AnwohnerInnen sowas sagen, riecht das förmlich nach dem Sankt-Florians-Prinzip. Das argwöhnen jedenfalls die weniger Betroffenen im Stadtteil: „Natürlich sind am meisten diejenigen gegen die Trasse, die am dichtesten dran wohnen würden“, meint die Apothekerin an der Hamburger Straße, der das alles ganz egal ist. Trotzdem legt sie Unterschriftenlisten für TrassengegnerInnen aus.

Im Stadtteil, fernab von den heimlichen Zubringern zur Erdbeerbrücke, von Fährstraße und Staderstraße, herrscht Monopoly-Stimmung: Mal sehen, wer gewinnt. Das will man auch rund um's TÜV-Gebäude „mal sehen“. Hier sind die Befürworter-Positionen ebenso persönlich begründet, wie die der GegnerInnen. Altersschwache Schwiegereltern und der große Familieneinkauf mit Kindern werden als zwingender Grund für's Autofahren angeführt: „Natürlich brauchen wir die Trasse“. Ob es dem Geschäft zuträglich wäre? „Das weiß ich nicht,“ sagen Autosattler und Bäcker gleichermaßen.

Aber halt: rein persönliche Gründe – das wollen die InitiativlerInnen sich nicht unterstellen lassen. „Was bei uns über die Trasse reinfließt, steht dann schließlich in anderen Stadtteilen im Stau.“, sagt Heiko Jaenisch, der Verkehrsexperte der Initiative. „Es glaubt doch niemand, daß bei Mercedes nur ein Tunnel gebaut wird.“.

Das verkehrspolitische Bewußtsein im Stadtteil hat sich geschärft. Auch auf der anderen Seite der kleinen grünen Medaille Georg-Bitter-Weg, an der Stader Straße, ist es gewachsen. Denn dort hat man schon alles, wovor die Initiativler sich fürchten: „Jeden morgen, jeden abend möchte man eine Sauerstoffmaske tragen“, klagt eine Anwohnerin. Zwar denken einige wie Helene Knasser: „Hauptsache, wir werden entlastet. Die Trasse muß her.“ Aber andere wollen, daß die Bürgerinitiativen nicht gegeneinander arbeiten – sondern gegen den Verkehr. Deshalb hält sich die BI Stader Straße mit öffentlichen Aktionen zurück: „Entlastung muß sein. Aber nicht auf Kosten anderer.“

Wie Entlastung funktionieren soll oder ob am Ende überhaupt das Geld für den Trassenbau vorhanden ist, das sind noch offene Fragen. Vor denen stehen die zumeist politik-unerfahrenen AnwohnerInnen noch ein wenig ratlos. Sie wissen: Wer für das private Autofahren ist, aber gegen die Trasse, muß vorsichtig sein – schon weil aus anderen Stadtteilen Druck und Kritik kommt: „Obervieländer und Neustädter sind den Stau leid“, heißt es. Und daß der SPD-Vorstand die Beiräte links der Weser schon heimlich geladen habe, um das Verkehrs-Problem mit ihnen zu besprechen. Den InitiativlerInnen schwant Schlimmes, das der Beirats-Genosse Reinhold Wätjen ausbaden mußte: Als er vorschlug, die Aktionen lieber „runterzufahren“ und stattdessen gezielt zu agieren, weil die Handelskammer ein starker Gegner ist, erntete er beißenden Spott . „SPD, die einen deckeln, die andern machen heimlich dicht“, murrte es. „Was Sie sagen, darf man doch nicht glauben.“ Spontanen Beifall erhielt stattdessen der BUNDler Peter Müller, der aufrief, nicht stillzuhalten. Eva Rhode