Betr.: Alpen

Silbergetönt verlaufen Risse durch die Natur. Der Schnee der Bergkuppen ist wie dicke schillernde Tortencreme aufgetragen, die jeden Moment aufzubrechen droht. Der Himmel darüber gleicht geometrisch ineinandergeschobenen Feldern, die Wolken Kuben. Die Welt der Alpen erscheint noch hundert Jahre nach ihrer Bändigung aus der Ferne ebenso abstrakt wie auf gleicher Höhe – ob vom Flugzeug aus besehen oder beim Kraxeln fotografiert. Je unwirtlicher sich die Landschaft ausgeformt hat, um so stärker wird sie als Zeichen empfunden, metaphorisiert und in der Umdeutung angeeignet. Johann Jakob Bodmer sah im Unwägbaren der Schweizer Berge seine Faszination an fernen Welten verlebendigt, C.D. Friedrich malte die Alpen als lichthelles Eis, vor dem der Wanderer seine Begrenztheit zu ertragen hatte. Seine Bilder selbst wiederum stützen die Idee des Erhabenen – kantisch und romantisch. Doch die Idylle trügt, mittlerweile ist die Alpinistik zum Hochleistungssport aufgestiegen, der Wanderer vom neoprenbehosten Athleten verdrängt worden. Nicht mehr das Ankommen ist Ziel, sondern das Dagewesensein. Die Höhe wird zur Information: „Der Nordwestgrat des Kreuzecks (2376 m), auch Bettlerrücken genannt, in den Allgäuer Alpen“ – die Fotografien von Markus Bydolek bestechen durch ihre technische Obsessivität. Mit speziellen Infrarot- Filmen hat Bydolek, der im eher flachländischen Oldenburg lebt, die neblig-verklärte Hochgebirgslandschaft der Romantik entschleiert. Dabei sind Aufnahmen entstanden, deren hohe Auflösung fast ins Virtuelle übergeht. Scharf wie Pixxel. Auch darin aber bleibt die Natur gewissermaßen abstrakt. Die Bilder sind, im Duotone-Verfahren gedruckt, als großformatiger Kalender erschienen. Er kostet 50 Mark und ist über regionale Alpenvereinssektionen zu beziehen. hf