Verhör in einer Kreuzberger Schule

■ Offener Brief von Volksbildungsstadtrat an Polizeipräsident wegen Verhör einer Schulklasse / Heute Nachspiel im Rechtsausschuß des Abgeordnetenhauses

Nachdem vergangene Woche acht türkische Schüler in Marzahn verhaftet worden waren, von denen einer erkennungsdienstlich behandelt wurde (die taz berichtete), hat ein Besuch von Beamten der Direktion 7 am Dienstag in der Kreuzberger Hans-Sachs-Schule für erneuten Protest gesorgt. In einem offenen Brief an den Polizeipräsidenten Hagen Saberschinsky (CDU) beschwert sich der Kreuzberger Volksbildungsstadtrat Dirk Jordan (Bündnis 90/Die Grünen) darüber, daß alle an dem Vorfall beteiligten Schüler einer achten Klasse ohne vorherige Benachrichtigung der Eltern in der Schule vernommen wurden. Die „Ungereimtheiten“ im Verhalten der Polizei letzte Woche seien schon schlimm genug gewesen. Der Vorwand, den an dem Vorfall Beteiligten die Gelegenheit zum „Schlußverhör“ zu geben, sei lediglich eine „durchsichtige Schutzbehauptung“, die der „Vervollständigung der unvollständigen Ermittlungsunterlagen“ diene. Jordan fühlt sich an eine „Geschichte aus dem Tollhaus“ erinnert. Nach seinen Informationen hätten die Schüler, die fotografiert und deren Personalien festgestellt wurden, die Ausage verweigert.

Die Polizeipressestelle beruft sich bei der erkennungsdienstlichen Behandlung letzte Woche und dem „Schlußverhör“ auf das „Allgemeine Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin“.

Zudem beklagt Jordan in seinem Brief, daß die Polizei bis zum gestrigen Tag seine Anfrage zu den Vorkommnissen in Marzahn nicht beantwortet hat und statt dessen auf den Innensenator verwies. Unter anderem fordert er eine Erklärung für das „einseitige Eingreifen“ der Beamten, die von keinem der Marzahner Jugendlichen die Personalien aufnahm. „Kann dies mit einer Voreingenommenheit gegenüber den Fremden zu tun haben?“ muß sich der Polizeipräsident fragen lassen. Weiterhin beschwert sich Jordan, daß er vergeblich versucht habe, die „Ungereimtheiten“ mit der Pressestelle der Polizei und der Direktion 7 zu klären. Der Volksbildungsstadtrat erklärt sich das beharrliche Schweigen der Polizei mit „Begründungsnotständen“ und geht von einer „absichtlichen Verzögerungstaktik“ aus. Die Polizeipressestelle dagegen sagte gestern zur taz, es habe „keinen Anlaß für eine Presseerklärung“ gegeben. Die Schüler waren am Dienstag vergangener Woche mit ihrer Lehrerin nach Marzahn gefahren, um im Rahmen eines Projektkurses einen Film über Gewalt zu drehen. Nachdem etwa 15 rechte Jugendliche den Arm zum „Hitlergruß“ gehoben und „Heil Hitler“ gerufen hatten, stürmten acht ausländische Jugendliche auf die Gruppe los und schlugen sie in die Flucht.

Jordan hofft, heute Licht in das Dunkel der filmreifen Geschichte zu bringen, wenn die bündnisgrüne Abgeordnete Renate Künast die erkennungsdienstliche Behandlung im Rechtsausschuß des Abgeordnetenhauses zur Sprache bringt. Barbara Bollwahn