Entwicklungshilfe und Rüstungsexport

■ Indonesien kauft Kriegsgerät aus Großbritannien und erhält Entwicklungshilfegelder für umstrittenes Kraftwerksprojekt auf Kalimantan

Dublin (taz) – Er habe für einen Moment seinen Rücktritt erwogen, nachdem ihm ein Gericht einen Gesetzesbruch bescheinigt hatte, sagte der britische Außenminister Douglas Hurd. Der Richter urteilte vor drei Wochen, daß Hurds Bewilligung von 234 Millionen Pfund Entwicklungshilfegeldern (rund 575 Millionen Mark) für den Pergau-Staudamm in Malaysia illegal war, da das Projekt ein wirtschaftliches und ökologisches Fiasko ist. Der britischen Regierung kam es freilich mehr auf die Waffen im Wert von 1,3 Milliarden Pfund an, die Malaysia im Gegenzug bestellte.

Hurd ist Wiederholungstäter: Wie jetzt bekanntgeworden ist, hat Großbritannien mit der indonesischen Regierung einen sehr ähnlichen Vertrag wie Malaysia geschlossen. In diesem Fall ist das Waffengeschäft sogar zwei Milliarden Pfund wert. Britische Firmen liefern dafür unter anderem 16 Hawk-Kampfflugzeuge, Luftabwehrraketen und einen kompletten Marinestützpunkt in Bandar Lampung auf Sumatra. Außerdem will man die Truppenausbildung übernehmen, nachdem die USA wegen der Menschenrechtsverletzungen ein Waffen- und Ausbildungsembargo über Indonesien verhängt haben. Die britische Regierung ist nicht so zimperlich: Schon Anfang der neunziger Jahre hat man gebrauchte Hawk- Übungsflugzeuge nach Jakarta verkauft, die in Ost-Timor eingesetzt wurden. Im vergangenen Jahr schloß British Aerospace einen Vertrag mit der indonesischen Regierung über 24 neue Hawks, ausgerüstet mit Rolls-Royce-Motoren. Und im Oktober gab Feldmarschall Peter Inge bekannt, daß Indonesien 140 Panzer vom Typ Scorpion bestellen werde.

Um den Zuschlag für den lukrativen Auftrag zu erhalten, griff die britische Regierung zum altbewährten Mittel, das auch schon in Malaysia funktioniert hatte: Entwicklungshilfe. Diesmal fördert man auf der Südhälfte der Insel Kalimantan – früher hieß sie Borneo – mit 65 Millionen Pfund ein Gasturbinenkraftwerk. Wie der Pergau-Damm in der malaysischen Nordhälfte der Insel ist auch das Kraftwerk bei Samarinda entwicklungspolitischer Unfug. Kalimantan ist nur dünn besiedelt und verfügt ohnehin über mehr Elektrizität, als benötigt wird. Es fehlt jedoch an Überlandleitungen, um den Strom an die Bevölkerung zu bringen.

Den Gewinn machen andere: Das Kraftwerk wird von Rolls Royce gebaut und kommt vor allem den Goldminen und Kohlebergwerken in der Region zugute. Die sind fest in australischer und britischer Hand. Samarinda wird die Zerstörung des Regenwaldes und die Vertreibung der Dayak- Urbevölkerung beschleunigen, wie die Londoner Menschenrechtsorganisation Tapol prophezeit. Auch bei dem zweiten „Entwicklungshilfeprojekt“, einer 50 Kilometer langen Straße auf Java zwischen Cikampek bei Jakarta und Padalaran in der Nähe von Bandung, stehen die Gewinner von vornherein fest. Gebaut wird die Straße, die Großbritannien mit knapp 17 Millionen Pfund subventioniert, von Trafalgar House. Der Direktor des Unternehmens, Sir Charles Powell, gehörte bis 1990 zu Margaret Thatchers außenpolitischem Team. Der Sohn der ehemaligen Premierministerin, Mark Thatcher, ist Berater der Firma. Eine Tochtergesellschaft von Trafalgar House, die Firma Cementation, hat übrigens den Pergau- Staudamm in Malaysia mit gebaut.

Gewinner gibt es auch auf indonesischer Seite: die Familie des Präsidenten Suharto, dessen persönliches Vermögen auf umgerechnet 25 Milliarden Mark geschätzt wird. Die Firma seiner Tochter Tutut ist mit 30 Prozent an der Mautstraße beteiligt. Es gibt kaum ein Wirtschaftsprojekt in Indonesien, an dem die Suhartos – das Ehepaar hat drei Söhne und zwei Töchter – nicht beteiligt sind. Die Präsidentenfrau Tien wird in der Geschäftswelt „Madame Fi-fi“ genannt, weil sie bei jedem Deal, an dem sie beteiligt ist, auf „fifty- fifty“ besteht.

Wie der Pergau-Damm, so ist auch das Samarinda-Kraftwerk im Jahr 1985 von Thatcher in die Wege geleitet worden. Der Durchbruch gelang im April 1993, als Douglas Hurd in Jakarta die 65 Millionen Pfund für Samarinda zusagte. Entwicklungshilfe müsse nicht von Menschenrechten abhängen, bemerkte er danach.

Das World Development Movement, das wegen des Pergau- Staudammes erfolgreich gegen Hurd geklagt hatte, gab bekannt, daß auch bei dem indonesischen Rüstungsgeschäft „überwältigende Beweise für eine Verbindung zwischen Entwicklungshilfe und Waffenverkäufen“ vorlägen. Die Organisation hat eine landesweite Kampagne eingeleitet, um auf die dunklen Geschäfte aufmerksam zu machen. Großbritannien ist der viertgrößte Rüstungsexporteur der Welt, 500.000 Menschen arbeiten in diesem Bereich. Mehr als ein Viertel dieser Jobs hängt vom Export ab. Ralf Sotscheck