Schlechte Aussichten für die Pressefreiheit

■ Palästinensische Polizei und Presse auf Kriegsfuß / Auslieferung von Jerusalemer Tageszeitungen im autonomen Gaza-Streifen über mehrere Stunden verhindert

Tel Aviv (taz) – Der erneute Versuch der palästinensischen Selbstverwaltungsbehörde in Gaza, die in Ost-Jerusalem erscheinenden arabischen Zeitungen zu regimetreuer Selbstzensur zu zwingen, hat diese Woche unter palästinensischen Journalisten großes Ärgernis erregt.

Am Montag und Dienstag wurde die „Einfuhr“ Jerusalemer Tageszeitungen am Kontrollposten Erez verhindert. Erst nach Protesten und Interventionen verschiedener Seiten wurden die Lieferungen in den Gaza-Streifen mit vielstündiger Verspätung freigegeben. Gestern und vorgestern setzten die palästinensischen Behörden die Behinderung jedoch fort.

Der bekannte palästinensische Journalist Daoud Kuttab, dem die palästinensischen Behörden vor einigen Monaten „nachdrücklich nahelegten“, die Veröffentlichung seiner nicht immer linientreuen Kommentare in der Tageszeitung Al-Kuds einzustellen, erklärte, daß die Maßnahmen eine gesetzliche Regelung der Pressefreiheit und Freiheit der Meinungsäußerung im Rahmen der „Autonomie“ dringend notwendig machen.

Al-Kuds und An-Nahar, die beiden Ost-Jerusalemer Blätter, die bereits in der Vergangenheit unter dem Gleichschaltungsdruck der Selbstverwaltungsbehörde zu leiden hatten, machten sich nun mit Angaben über die Größe der Hamas-Demonstration, die am letzten Samstag in Gaza stattfand, unbeliebt. Während die Polizeibehörden in Gaza von 8.000 Demonstrationsteilnehmern sprachen, gaben israelische Zeitungen und die Ost-Jerusalemer arabische Presse eine zehnmal größere Beteiligung der Bevölkerung von Gaza an. Demnach wäre die Hamas-Demonstration aber größer gewesen als die zuvor zur Unterstützung Arafats abgehaltene Fatah-Kundgebung.

Noch mehr dürfte sich der Polizeichef von Gaza, Brigade-General Ghazi Jabali, über den in Reaktion auf die Einfuhrbehinderung von Zeitungen in den Gaza-Streifen in der Al-Kuds verfaßten Leitartikel und eine bitterböse Karikatur geärgert haben, die sich über den Brigadier als Zensor und „Gouverneur von Gottes Gnaden“ lustig machte. Das pro-jordanische Konkurrenzblatt An-Nahar hingegen ist nach der früheren Maßregelung durch die palästinensischen Behörden vorsichtiger geworden. Die Zeitung machte das schlechte Wetter für die Anfang der Woche verspätete Verteilung der Zeitungen aus Jerusalem verantwortlich. Amos Wollin