Spritzen ist nicht gesund

■ Was in Frankfurt seit gestern möglich ist - Spritzen von Heroin in einem "Gesundheitsraum" - wird es in Berlin nicht geben

Seit gestern ist Frankfurt am Main die erste deutsche Stadt, in der sich Junkies in einem speziellen Raum unter hygienischen Bedingungen einen Schuß setzen können. Dieser „Gesundheitsraum“, der allerdings den Nachteil hat, daß er nicht in der Drogenszene, sondern in einem Industriegebiet plaziert ist, bietet Platz für acht Leute. Zwei für Drogennotfälle ausgebildete Mitarbeiter verteilen dort saubere Spritzen an die Junkies. Die taz fragte die Berliner Drogenbeauftragte Elfriede Koller, ob die Eröffnung des Druckraums eine Signalwirkung für Berlin habe.

taz: Frau Koller, aus Hamburg war bereits zu hören, daß man dort das Frankfurter Projekt mit Interesse verfolgen werde. Können Sie sich vorstellen, daß es auch in Berlin demnächst einen Raum für Junkies geben wird, in dem gespritzt werden darf?

Elfriede Koller: Nein. Wir brauchen mehr versorgende Hilfen für Drogenabhängige, aber sicher keinen Druckraum. Die Idee ist ja nicht neu. Alle Experimente mit sogenannten shooting gallerys in New York oder mit Hausbooten, auf denen gespritzt werden durfte, in Amsterdam, sind gescheitert. Was passiert, das hat sogar der Sozialwissenschaftler und Verfechter einer liberalen Drogenpolitik, Günter Amendt, neulich zugegeben, ist, daß diese Räume auch den Handel anziehen. Die Dealer gruppieren sich satellitenhaft um diese Räume, die Lage gerät außer Kontrolle und damit ist den Abhängigen nicht geholfen.

... woraus Herr Amendt nicht folgerte, derartige Räume nicht zu eröffnen. Statt dessen hat er gefordert, dort auch kontrolliert Heroin abzugeben.

Sie wissen doch, daß das sofort der zweite Schritt ist. Daß diese Räume nichts nützen, weiß Frankfurt auch. Der Druckraum ist meiner Ansicht nach der erste Schritt, um das Experiment dann scheitern zu lassen und zu sagen, wir müssen den Leuten Heroin geben.

Sie können aber nicht vom Tisch wischen, daß auch in Berlin von Drogenprojekten, Gesundheitsstadträten und auch von der Bevölkerung vor allem rund um die Kurfürstenstraße immer wieder Druckräume als gesundheitspolitische Maßnahme gefordert wurden.

Es geht doch nicht um Gesundheit. Was Frankfurt macht, ist für mich vor allem ein ordnungspolitischer Schritt. Nur vordergründig geht es um Gesundheit, was immer das bedeutet – zu spritzen ist ja nicht gesund. Mit einem Druckraum suggeriert man der Bevölkerung, daß die Abhängigen weg von der Straße sind.

Ihr Vorgänger Wolfgang Penkert hat gegen Forderungen nach Gesundheitsräumen immer wieder argumentiert, sie verstießen gegen das Betäubungsmittelgesetz. Die Frankfurter Staatsanwaltschaft kam zu dem Schluß, daß sich das Experiment durchaus innerhalb des gesetzlichen Rahmens bewegt.

Laut Betäubungsmittelgesetz fällt ein derartiger Raum unter das „Verschaffen einer Gelegenheit“. Auch der Berliner Generalstaatsanwalt sieht in den Räumen eindeutig einen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz. Die inhaltlichen Argumente sind aber genauso wichtig. Das Geld, das man für Druckräume ausgibt, ist woanders besser angelegt: Zum Beispiel in einem weiteren Kontaktladen, Streetworkerstellen oder einem Arztmobil für Junkies. Interview: Jeannette Goddar