Umweltschutz oder PR?

■ 1995 wird die Teilnahme von Betrieben am Öko-Audit auch das Öko-Image liften

Im Juli 1993 wurde ein für die gesamte EU einheitliches Instrument eingeführt, das ab April 1995 die Wirtschaft motivieren soll, über bestehende Gesetze hinaus freiwillig im Umweltschutz aktiv zu werden: die Öko-Audit-Verordnung. Ziel ist die Verringerung von Umweltbelastungen durch ein verbessertes Umweltmanagement sowie eine Umweltbetriebsprüfung.

Ein unabhängiger Umweltgutachter wird prüfen, ob die Erklärungen der Unternehmen den Anforderungen der Verordnung entsprechen. Zur Zeit wird noch darüber gestritten, wer die Umweltgutachter bestellen soll: die Kammern der Wirtschaft oder das Umweltbundesamt.

Ist diese Frage geklärt, können sich Unternehmen ein Zertifikat erstellen lassen. Dazu müssen sie nachweisen, daß sie die einschlägigen Umweltvorschriften beachten, eine Umweltprüfung durchgeführt, den Umweltschutz in der Organisation verankert haben und die beste verfügbare Technik zum Schutz der Umwelt einsetzen – sofern diese sich wirtschaftlich vertreten läßt. Des weiteren verpflichten sich die Unternehmen, der Öffentlichkeit regelmäßig über den Stand ihrer Umweltschutzmaßnahmen zu berichten. Das Öko- Audit-Zertifikat – also die Teilnahmeerklärung für den jeweiligen Betriebsstandort – darf das Unternehmen zwar als Werbung auf dem Briefpapier nutzen, nicht jedoch als direktes Produktmarketing.

Die Verordnung wird für viele Unternehmen eine große Rolle spielen. Da ihre Umsetzung freiwillig ist, gewinnt sie ihre Bedeutung zwar nicht durch gesetzlichen Druck, jedoch werden wettbewerbspolitische Kalküle zahlreiche Unternehmen zu einer Teilnahme am Verfahren veranlassen: Vorreiter ziehen weitere Unternehmen nach sich.

Abnehmer und Kunden werden die Teilnahme von Betrieben am Öko-Audit-Verfahren als Nachweis für deren Umweltverträglichkeit sowie als Reduzierung von potentiellen Risiken einordnen. Ein bestandenes Öko-Audit wird künftig bei der Vergabe von Krediten und Versicherungsleistungen zumindest eine Rolle spielen. Weitere Vorteile können Maßnahmen zur Reduzierung des Energie- und Rohstoffverbrauchs sowie Vermeidung von kostspieligen Abfällen sein. Die systematische Erfassung der umweltrelevanten Stoffe und Prozesse wiederum kann zu betriebsinternen Verbesserungen und damit zur Vermeidung von Störfällen führen. Mit den umfassenden Vorgaben bietet das Instrument die Chance für einen präventiven Umweltschutz. Denn für dauerhafte innerbetriebliche Verbesserungen ist der Aufbau eines Umweltmanagement-Systems mit der Festlegung von Umweltschutzaufgaben und Zuständigkeiten erforderlich.

Die Verordnung macht umfangreiche Vorgaben darüber, welche Auswirkungen auf die Umwelt (Abfall, Abluft, Rohstoffeinsatz) bei der Prüfung des Betriebes und des Standortes untersucht und verbessert werden sollen. Dies allerdings wird häufig kritisiert: So wird zwar beschrieben, welche Aspekte zu berücksichtigen sind, aber nicht, welche Standards die Unternehmen einzuhalten haben. Hier wiederum bieten nur die gesetzlichen Vorgaben einen Anhaltspunkt und die Verpflichtung auf den Einsatz der besten verfügbaren Technik, der allerdings durch den Zusatz „der wirtschaftich vertretbaren Anwendung“ dehnbar wird.

Von den externen Umweltgutachtern wird geprüft, ob ein System des Umweltmanagements eingeführt wurde, das die Organisation des Umweltschutzes in den Betrieben sowie die Einhaltung der selbstgesteckten Ziele gewährleistet. Die Umweltrelevanz der Firmen und Produkte selbst hingegen wird nicht beurteilt.

Eine Chance für die Umwelt liegt auch in der Pflicht zur Veröffentlichung der Prüfergebnisse. Beispielhafte Pilotprojekte zur Einführung des Öko-Audit-Systems können hier Standards setzen, indem konkrete Angaben über eingesetzte Stoffe, Emissionen in der Luft, Abwasser und Abfall mit bereits durchgeführten und geplanten Maßnahmen veröffentlicht werden. Man hofft also in Sachen Umweltschutz auf die Eigendynamik des Wettbewerbs vor allem innerhalb der Branchen. Da die Berichte für die Teilnahme am Öko-Audit-Verfahren in regelmäßigen Abständen alle ein bis drei Jahre wiederholt veröffentlicht werden müssen, ist die Einhaltung der selbstgesteckten Ziele überprüfbar.

Zur Einführung des Öko-Audit-Verfahrens fördern die Bundesländer Pilotprojekte für Unternehmen. Ziel ist, vor allem den kleinen und mittelständischen Unternehmen, die in der Regel wenig zeitliche und personelle Kapazitäten für Umweltschutzmaßnahmen haben, eine Teilnahme am Öko- Audit zu erleichtern. Wichtig ist zudem deren systematische Information über Umweltvorschriften, da sie mit der Einhaltung des komplexen Umweltrechts in Deutschland häufig überfordert sind.

Erfahrungsgemäß ist Umweltschutz nicht alleinige Aufgabe der Betriebsleitung, sondern nur unter Einbeziehung aller Mitarbeiter auch auf unteren Ebenen möglich. Denn sie sind es schließlich, die Abfälle trennen und Anlagen überwachen müssen. Sie sind zuständig für den reibungslosen Ablauf und die Vermeidung von Umweltbelastungen. Darüber hinaus kennen sie die Produktionsabläufe und oft auch schon Optimierungspotentiale. Der Umweltschutz hängt damit entscheidend von der Ausbildung und Motivation der Mitarbeiter ab. Die Verordnung sieht zwar eine Ausbildungsförderung vor, doch sind die Details noch zu entwickeln.

Das Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung in Berlin hat bereits eine Kriterienliste zur Bewertung von Unternehmen erarbeitet, und ein Leitfaden für die Erstellung von Umweltberichten liegt vor. Sabine Lehmann

Kontakt: Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung, Berlin, Tel. (030) 8826094