Gysi nagt weiter am Hungertuch

Gestern zogen die Hungerstreikenden der PDS in ein Berliner Theater um / Steuerstreit geht weiter / Bisky befürchtet Vernichtung der PDS / Finanzamt will vorerst nicht weiter pfänden  ■ Von Christoph Seils

Berlin (taz) – Jetzt soll es den Genossen endgültig an den Kragen gehen, befürchtet die PDS. Auf ihrem neuen Nachtlager in der Berliner Volksbühne kündigten Bisky, Gysi und Co. gestern zwischen Rosen und Nelken an, ihren Hungerstreik ohne Befristung fortzusetzen. Die Lage, so Gregor Gysi, sei nach der Pfändung der 3,2 Millionen Mark ausgesprochen ernst. In einem Schreiben an die PDS hatte das Berliner Finanzamt gestern abgelehnt, weitere Vollstreckungsmaßnahmen auszusetzen. Das Schreiben bestätige, so Lothar Bisky, den „Vernichtungswillen“ des Berliner Finanzsenators. Denn, so schreibt das Finanzamt, „die befürchtete Vernichtung ihrer Existenz rechtfertige nicht die Gewährung eines Aufschubes“. Dagegen erklärte ein Sprecher der Berliner Finanzverwaltung, seine Behörde wolle nun den Ausgang des Rechtsstreits abwarten, bevor weitere Pfändungen durchgeführt werden.

Während sich die Stimmen mehren, die Zweifel an der Steuerschuld äußern, machen die Genossen mobil. Am Samstag soll es in Berlin und den neuen Bundesländern zu neuen Demonstrationen kommen. Schon am Donnerstag abend waren sich die Genossen einig. „Das soll Demokratie sein?“ höhnten sie. Vergessen der Streit um IM Kaiser oder Sarah Wagenknecht. Rund 5.000 PDSler hatten sich in Berlin zu einer Kundgebung versammelt und feierten in der Kälte ihre hungernden Helden, die sich per Video aus dem Berliner Abgeordnetenhaus an ihre Fans wandten. Kurz nach Mitternacht beendete die Berliner Parlamentspräsidentin Hanna-Renate Laurin die „permanente Beratung der PDS“. Sie ließ die Fraktionsräume der PDS räumen, da sie „mißbräuchlich“ genutzt würden. Die Beamten seien, so berichtete die Berliner PDS-Vorsitzende Petra Pau anschließend, brutal in die Geschäftsstelle der PDS-Fraktion eingedrungen. Dabei ging unter anderem die Kamera eines Fernsehteams zu Bruch.

In der Nacht irrten die hungernden Genossen wieder durch die Stadt. Asyl fanden sie schließlich in der Volksbühne. Schräg gegenüber dem Karl-Liebknecht-Haus haben die Mitarbeiter der PDS- Zentrale die Hungernden jetzt immer im Blick. Einige spöttische Besucher konnten es sich gestern nicht verkneifen, eine kalte Platte mitzubringen. Unter den Anhängern häufen sich derweil die besorgten Stimmen, wie lange die nicht mehr ganz jungen Herren den Hungerstreik noch durchhalten können, zumal Gregor und Lothar das Rauchen partout nicht einstellen wollen. Christoph Seils