In Bosnien hofft keiner auf die Nato

■ Die Aufregung über die Nato-Forderung nach deutschen Tornados hält sich im ehemaligen Jugoslawien in Grenzen

Die deutschen Tornados über Ex-Jugoslawien haben in der Bundesrepublik mehr Staub aufgewirbelt als in den Nachfolgestaaten der zerfallenen Föderation. So spielte der kroatische Verteidigungsminister Šušak den Fall auf einer Pressekonferenz in Zagreb herunter: Es sei Sache der Nato, ihre Logistik aufzubauen und zu entscheiden, ob Deutschland Restriktionen auferlegt seien oder nicht. In Bosnien selbst sind die Hoffnungen auf eine Nato-Aktion ohnehin auf null gesunken. Gegen die Teilnahme deutscher Kampfflugzeuge allerdings hätte kein Politiker etwas einzuwenden.

Im Gegenteil, die Deutschen werden in Sarajevo zu den wenigen Freunden gezählt, über die das Land in Europa noch verfügt. „Wir danken Deutschland für die materielle Unterstützung durch humanitäre Hilfe, für die Aufnahme von Hunderttausenden von Flüchtlingen, verstehen aber die Zurückhaltung in militärischen Angelegenheiten“, hatte Ministerpräsident Haris Silajdžić schon im Sommer gegenüber unserer Zeitung die Position seiner Regierung umrissen. Politiker und Publizisten in Slowenien, Makedonien und auch Oppositionspolitiker in Montenegro sehen im heutigen Deutschland keine Gefahr mehr. Für sie ist Bonn eine „stabilisierende und demokratische Kraft“ an, die mehr Verantwortung übernehmen sollte. Anders liegt der Fall in Serbien. Mit dem seit 1989 gebrauchten Argument, das Land sei einer Aggression der mit dem „4. Reich“ verbündeten kroatischen Ustaša ausgesetzt, hatte Belgrad für seine Kriegspolitik mobilisiert – zu einer Zeit, als in Kroatien über eine Konföderation mit den jugoslawischen Republiken debattiert wurde und in Deutschland die Mehrheit der Menschen nicht einmal wußte, daß es in Jugoslawien Kroaten, Serben oder Bosnier gibt. Der Vorwurf an Bonn war damals, die Bundesrepublik wolle ihr Einflußgebiet auf Jugoslawien ausdehnen und die Hegemonie über Südosteuropa gewinnen.

Diese Kritik wurde hierzulande damals kaum wahrgenommen, versuchte doch die bundesdeutsche Politik noch bis in den Herbst 1991 hinein – der Krieg in Kroatien hatte längst begonnen –, am jugoslawischen Gesamtstaat festzuhalten. Erst mit der im Oktober 1991 sich abzeichnenden Entscheidung des damaligen Außenministers Genscher, Kroatien diplomatisch anzuerkennen und den darauf folgenden Konflikten mit Großbritannien, Frankreich, Rußland und – damals auch – den USA, hat die serbische Position international, sogar in Deutschland selbst, Beachtung gefunden.

Daß die Belgrader Reaktionen auf die Tornado-Debatte leise geblieben sind, könnte ein Hinweis dafür sein, daß ein deutscher Einsatz den Serben-Führern Milošević und Karadžić sogar gelegen käme, um ihre Propagandamaschinerie wieder zu schmieren. Die Tendenz, in Serbien die nationalistische Rhetorik herunterzuschrauben, ist jedoch gegenläufig: Die helleren Geister in der serbischen Hauptstadt wissen, daß eine moderne Ökonomie nicht nach Einflußzonen und Eroberungen, sondern nach einer Spitzenstellung auf dem Weltmarkt strebt – und daß Deutschland auch nach dem Krieg in Ex-Jugoslawien der wichtigste ökonomische Faktor in Europa bleiben wird. Erich Rathfeder, Split