Eingeborene gegen Fremde

■ Die SchweizerInnen votierten für verschärfte Zwangsmaßnahmen gegen unliebsame Ausländer

Berlin (taz) – Asylbewerber und andere Ausländer ohne Aufenthaltsberechtigung können in der Schweiz künftig ohne rechtskräftiges Urteil bis zu einem Jahr in Haft gehalten werden, wenn sie von den Behörden verdächtigt werden, abtauchen zu wollen. Mit einer deutlichen Mehrheit von 72,9 Prozent haben die Eidgenossen gestern einem Gesetz zugestimmt, das ein Sonderstrafrecht für Ausländer einführt. Es ist europaweit die ausländerfeindlichste Regelung.

So kann die Fremdenpolizei eine sogenannte „Vorbereitungshaft“ bis zu drei Monaten verfügen, wenn sie die Identität einer Ausländerin oder eines Ausländers nicht feststellen kann, oder wenn diese oder dieser behördlichen Anordnungen mehrfach nicht Folge geleistet hat. Diese Haft kann im Fall, daß die nötigen Papiere zur Abschiebung nicht beschafft werden können, um weitere drei Monate, in bestimmten Fällen sogar um neun Monate, verlängert werden. Das Gesetz erleichtert zudem die Durchsuchung von Privatwohnungen und Kirchen, in denen gesuchte Ausländer vermutet werden.

Vor allem die Linke und die Kirchen machten gegen das Gesetz mobil, das mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vermutlich nicht zu vereinbaren ist. Sie sammelten über 50.000 Unterschriften und zwangen damit die Regierung, das Gesetz einem Referendum zu unterwerfen. Nun hat das Volk gesprochen. Dasselbe Volk, das noch vor zehn Wochen mit einer knappen Mehrheit für die Strafbarkeit rassistischer Handlungen und rassistischer Propaganda votierte, sprach sich nun deutlich für die Einführung eines Gesetzes aus, das die Abschiebungen zwar kaum erleichtern wird, aber den Rassisten entgegenkommt und dem Rassismus weiteren Vorschub leistet.

Daß die traditionell eher patriotisch gesinnte deutschsprachige Schweiz das Gesetz gutheißen würde, war zu erwarten. Aber selbst in den gemeinhin weltoffeneren französischsprachigen Landesteilen und im Tessin votierten um die 60 Prozent für die Vorlage, deren Berechtigung in der Öffentlichkeit vor allem mit der Notwendigkeit einer effizienten Bekämpfung des Drogenhandels begründet wurde. Doch öffnet das Gesetz – so warnen vor allem Kirchen und Flüchtlingsinitiativen – der Behördenwillkür Tür und Tor. Die Verlierer wollen nun vor den Europäischen Gerichtshof in Straßburg ziehen.

Thomas Schmid Seite 4