Beliebter als der Präsident

Schwedens populärste Politikerin ist die am weitesten links stehende von allen – die Vorsitzende der exkommunistischen „Vänsterpartiet“  ■ Aus Stockholm Reinhard Wolff

Gudrun ist die Vorsitzende der exkommunistischen Linkspartei Schwedens. Sie ist mit Abstand die populärste der PolitikerInnen, weit vor Ministerpräsident Ingvar Carlsson. Keine Selbstverständlichkeit für die Vorsitzende einer Fünfprozentpartei, der für die diesjährigen Wahlen sogar ein Scheitern an der Sperrklausel prophezeit worden war. Daß die „Vänsterpartiet“ die Hürde übersprang, ist nicht zuletzt das Verdienst von Gudrun Schyman.

Früher einmal beklagte sich die 46jährige, daß die Fernsehkameras immer auf Beinhöhe einsetzten und sich von da langsam nach oben tasteten. „Jetzt fangen sie gleich beim Kopf an“, konstatierte sie im vergangenen Wahlkampf befriedigt und auch die Umfragen zeigen, daß es nicht ihr Äußeres ist, das sie so populär macht, sondern die Kompetenz, Sicherheit und Glaubwürdigkeit, die sie ausstrahlt. Die Linkspartei hat als „Linkspartei-Kommunisten“ eine moskautreue Vergangenheit, ging aber rechtzeitig auf Distanz, legte das „Kommunisten“-Anhängsel ab und strich die Diktatur des Proletariats aus dem Programm. Sie selbst sei nie Kommunistin gewesen, erklärte Schyman einer erstaunten Öffentlichkeit, obwohl sie ihren Weg durch die Partei in der jetzt gern vergessen gemachten Zeit begonnen hatte: im „Marxistisch-Leninistischen Kampfverband“. Auf drei Beinen steht für Gudrun Schyman die Linkspartei heute: das erste traditionell in der alten Arbeiterbewegung verankert, das andere in einer AnhängerInnenschaft, die radikale Umweltpolitik will – insoweit in Konkurrenz zu den Grünen. Das dritte Bein schließlich hat viel mit Gudrun Schyman selbst zu tun: „Wir sind eine feministische Partei.“ Laut Wahlanalysen ist sie das tatsächlich durch den Einsatz der Frau Vorsitzenden geworden.

Diese rot-grünen Fragen hofft Gudrun Schyman auch zusammen mit der sozialdemokratischen Regierung auf den Weg zu bringen. Mit einer Sozialdemokratie, mit der sie viele gemeinsame Ansatzpunkte sieht, der sie aber auch Unglaubwürdigkeit in der Umweltpolitik und wachsende Abkehr von einst hochgehaltenen verteilungspolitischen Prinzipien vorwirft.

„Am linken Arm kräftig ziehen“ will Gudrun Schyman Ministerpräsident Carlsson, den ihre Partei im übrigen unterstützt, „soweit es nur irgendwie geht“. Nichts ging allerdings mehr bei der EU- freundlichen Linie, und nichts geht mehr bei der Frage des Baus der Öresundbrücke und dem immer wieder verschobenen Anlauf zum Ausstieg aus der Atomenergie. Was die zusätzlichen Budgetgelder als Folge des Beitritts zur Europäischen Union angeht, hat Gudrun Schymans Linkspartei sich trotz ihrer ablehnenden Haltung mit der Regierung auf ein Steuerpaket geeinigt – was wohl als so etwas wie die „Feuerprobe“ für eine künftige Zusammenarbeit angesehen werden darf. „Wir müssen sparen“, verkündete sie auch im Wahlkampf, „doch nicht bei den Grundlagen, nicht bei den Schulen, der Kranken- und Altenfürsorge, den Bibliotheken – das darf alles kosten.“

Knapp zwei Jahre nachdem die Familientherapeutin Gudrun Schyman die Parteiführung von ihrem Vorgänger, dem Maurer Lars Werner übernahm, hat sie die Partei nicht in den Graben gesteuert, wie von den Medien erwartungsvoll geunkt worden war, sondern aus diesem herausgelenkt. Als Karrierefrau gilt sie, seit sie offen nach der Parteiführung strebte – „ich habe mich hingestellt und gesagt, ich will das machen, aber das darf man wohl nicht. Aber warum soll ich lügen und schüchtern lispeln, eigentlich will ich nicht, aber wenn es sein muß ...“ Was nicht heißt, daß sie die Führungsrolle nicht genießt – und das ebenso ungeschminkt eingesteht.