„Gaza-Jericho“ – und kein bißchen weiter?

■ Israels Regierung will den Autonomievertrag mit der PLO verändern

Jerusalem/Tel Aviv (AP/taz) – Die israelische Regierung bemüht sich offenbar um eine Änderung des Autonomievertrags mit der PLO, der in Verbindung mit den geplanten Wahlen zur palästinensischen Selbstverwaltung einen Truppenabzug aus der Westbank verlangt. Regierungsbeamte erklärten gestern in Jerusalem, Israel wolle diese Absicht bei den morgen in Kairo beginnenden israelisch-palästinensischen Verhandlungen zur Sprache bringen.

„Die Wahlen sind wichtig, aber die Sicherheit von Israelis ist genauso wichtig“, sagte Regierungssprecher Uri Dromi im Hinblick auf die Serie von Anschlägen palästinensischer Islamisten auf israelische Zivilisten und Siedler.

Während einer Übergangsphase bis zu einer Einigung auf den endgültigen Status des Gaza-Streifens, der Westbank und Jerusalems sollen alle jüdischen Siedlungen bestehen bleiben. Dieser Abschnitt des Autonomieprozesses kann dem Vertrag zufolge bis 1999 dauern.

Saeb Erekat, ein Mitglied der palästinensischen Verwaltungsbehörde, bezeichnete die Erklärungen als „gefährliche Überlegungen“ und forderte den vertraglich bereits für letzten Sommer festgelegten Rückzug der Truppen und die Durchführung von Wahlen.

Der israelischen Erklärung ging eine umfangreiche Debatte in der am Sonntag in Jerusalem geführten Kabinettssitzung der Regierung voraus. Dabei deutete sich bereits an, daß der Truppenabbau in der Westbank verschoben werden soll. Wirtschaftsminister Schimon Schetret argumentierte, Jassir Arafat als Chef der palästinensischen Selbstverwaltung habe es nicht geschafft, im Gaza-Streifen für Ordnung zu sorgen, die islamistischen Milizen zu entwaffnen und Gewalttäter vor Gericht zu stellen. Danny Rothschild, israelischer Chefunterhändler bei den Autonomieverhandlungen, sagte, es werde Arafat schwerfallen, in der Westbank die Autorität seiner Verwaltung durchzusetzen.

Für eine Abänderung des Osloer Abkommens sprach sich vor allem der Vorsitzende des Knesset-Ausschusses für Außenpolitik und Sicherheit, Ori Orr, von der Arbeitspartei aus. Damit soll die weitere Anwesenheit des israelischen Militärs in allen Teilen der Westbank auch vertraglich gesichert werden. Als „Gegenleistung“ schlug Orr allerdings eine Umsiedlung isolierter israelischer Siedlungen in einige größere Siedlungsblocks am Westufer vor.

Rabin und seine nicht besonders stabile Koalitionsregierung stehen vor der Aufgabe, bis zu den neuen Knesset-Wahlen in zwei Jahren eine Reihe von sicherheits- und wirtschaftspolitischen Problemen zu bewältigen.

Der Generalsekretär der Arbeitspartei, Nissim Zvili, der im allgemeinen zum Peres-Lager gezählt wird, riet der Regierung, den Friedensprozeß, der sich seiner Meinung nach keiner großen Popularität bei der Wählerschaft erfreut, für die nächsten zwei Jahre einzufrieren. Der stellvertretende Außenminister Jossi Beilin hingegen war der Ansicht, daß Israel das nächste in Oslo festgelegte Zwischenstadium „überspringen“ und sich statt dessen besser gleich den erst für 1996 angesetzten Verhandlungen für die „Endphase“ des Friedensprozesses widmen sollte. Eine Beschleunigung der damit anstehenden Lösung verschiedener bislang nicht angetasteter Grundprobleme könnte, nach Ansicht Beilins, dem „Terrorismus“ entgegenwirken. Offen sind bislang beispielsweise die Frage der Siedlungen, des Status von Jerusalem und die Grenzen der Autonomiegebiete.

Der Likud und die anderen Oppositionsparteien bestehen darauf, daß Israel es nun bei „Gaza-Jericho“ und dem Friedensabkommen mit Jordanien bewenden läßt und den Friedensbedingungen Syriens, die eine Rückgabe des 1967 eroberten Golan beinhalten, nicht zustimmt.

Allem Anschein nach neigt Ministerpräsident Jitzhak Rabin selbst gegenwärtig dazu, den „Osloer Prozeß“ in seiner ursprünglich festgelegten Form abzubrechen. Amtlich wird das Osloer Abkommen sicher nicht aufgekündigt. Bei den Verhandlungen in Kairo wird es aber um den Versuch einer gründlichen Revision des Abkommens gehen. Ein völliger Stillstand des Prozesses wäre unerwünscht und gefährlich. Grundsätzlich soll sich jedoch an der Wirklichkeit in der Westbank nichts ändern. Amos Wollin