Ein Dorf ächtet die NPD

■ Im schwäbischen Eningen erbte die NPD von zwei Schwestern eine Villa zum Aufbau eines „Nationalen Schulungszentrums“ / Doch die DörflerInnen gehen auf die Barrikaden / Niemand will die Nazis im Ort haben

Die greisen Schwestern Krieg aus Eningen waren bekennende Nazis. Als sie starben, vererbten sie ihre Villa der NPD, auf daß deren Chef Günther Deckert ein „Nationales Schulungszentrum“ gründe. Doch die Rechtsradikalen bedachten nicht, wie widerstandsfähig Dörfler von der Schwäbischen Alb sein können.

taz: Herr Renz, Sie als Landtagsabgeordneter der Grünen führen den Protestzug gegen Günther Deckert und seine nationalen Konsorten an.

Manfred Renz: So kann man das nicht sagen. Wir sind nicht zentralistisch strukturiert, wir agieren dezentral. Vom Pfarrer über den Landeselternrat bis hin zu allen Fraktionen im Gemeinderat – niemand im Dorf will ein NPD-Schulungszentrum haben.

Ein schwieriges Unterfangen, die Reihen von 10.000 Dörflern fest zu schließen?

Zunächst ging ein Riß durchs Dorf. Es gab welche, die sagten: Was macht das schon, wenn sich da ein paar Unverbesserliche treffen. Denen mußten wir in langer Überzeugungsarbeit beibringen, was die Leugnung des Holocaust heißt, was dieser Deckert alles an geschichtlichen Tatsachen verdreht. Wir haben eine Aufklärungsbroschüre verteilt, die schlimmsten Deckert-Äußerungen waren im Faksimile abgedruckt. Als Deckert anfing, Drohbriefe zu schicken, waren auch die letzten Skeptiker auf unserer Seite.

Womit drohte er?

Nach unserer großen Protestveranstaltung Anfang November im Gemeindesaal der katholischen Kirche, schrieb Deckert mir, ich solle die Finger vom Widerstand lassen. Er nannte mich Schreibtischtäter, mit dem die Geschichte abrechnen würde. Dem Bürgermeister wollte er ein paar Tage lang ein Auto hinterherschicken. Dem Pfarrer drohte er, den Gottesdienst zu besuchen. Das hat gelangt.

Wird der Widerstand halten, wenn Deckert im Dorf umhergeht und Aufträge für die Instandsetzung der Villa vergibt?

Och, beim Bürgermeister kommen schon Briefe von Handwerkern an, die sagen, niemals würden sie an dem Haus arbeiten, das hätten sie nicht nötig, von einem Nazi bezahlt zu werden. Ächtung ist das Thema. Wer trotzdem einen Auftrag annimmt, der bekommt die sozialen Kontrollmechanismen einer Dorfstruktur zu spüren.

Der Versuch der Gemeinde, der NPD die Villa abzukaufen, ist gescheitert. Welche anderen Möglichkeiten haben Sie, den Einzug zu vereiteln?

Es gibt ja noch den Bebauungsplan. Um im Haus Versammlungen abhalten zu können, muß die NPD eine Nutzungsänderung beantragen, die Auflagen der Bauaufsicht nach sich ziehen. Außerdem spekuliere ich auf eine Fußangel im Testament. Da heißt es, die NPD bekommt die Villa nur, um ein „Nationales Schulungszentrum“ zu errichten. Das ist juristisch ein weicher Begriff. Welche Möglichkeiten wir haben, dagegen einzuschreiten, lassen wir derzeit prüfen.

Die NPD muß mehr als 420.000 Mark an Wahlkampfkostenerstattung dem Land zurückzahlen, beim Bund steht sie mit fast 800.000 Mark in der Kreide. Liegt hier kein Ansatz?

Eine entsprechende Pfändungsverfügung hatte der Landtag veranlaßt. Absurderweise wurde die aber aufgehoben, nachdem Deckert erklärt hatte, nicht der Landesverband, sondern der Bundesverband sei die Erbin. Auf die Zusage des NPD-Bundesverbands hin, für die Rückzahlungsverpflichtung zu haften, wurde die Pfändung aufgehoben. Sogar auf die üblichen Sicherheiten wurde dabei verzichtet. Ein sehr zuvorkommender Zug der Landtagsverwaltung. Jetzt darf Deckerts Bundesvorstand monatlich 300 Mark abstottern. Ich finde das skandalös. Aber all das stärkt unseren Widerstand. Interview: Annette Rogalla