Der B(r)aukrieg von Altona

■ Wo Sozis sich ihre Sozialisation ersoffen, hat Standortpolitik keine Chance Von Marco Carini

Was braut sich da zusammen in Altona? Die Dortmunder Brau und Brunnen AG will auf dem Eckgrundstück Max-Brauer-Allee/Chemnitzstraße einen sechsgeschossigen Neubau aus dem Boden stampfen. Rund 1000 Quadratmeter Büros, Restaurants und Wohnungen will der Dortmunder Bier-Konzern, der erst vergangene Woche die Astra-Brauerei geschluckt hat, hier hochziehen. Doch mit einem haben die Brau-Bauer nicht gerechnet: dem entschiedenen Widerstand der Altonaer SPD. Die hat dem Projekt den Kampf angesagt.

Nicht daß die Altonaer Sozialdemokraten etwas dagegen hätten, daß Büroklötze in den Altonaer Himmel wachsen. Wurde doch gerade erst vor wenigen Monaten das „Holstenhaus“ an der Holstenstraße fertig, in dem noch immer mehr als die Hälfte der Büroräume leerstehen. Und damit die Hamburger Brauerei ihren Gär- und Lagerkeller erweitern kann, beschlossen die Altonaer Genossen schon 1991, das Wohngebiet zwischen Holstenstraße 218 und Haubachstraße 91 zum Industriegebiet „umzuwidmen“. Nun droht zwei der umgewidmeten Altbauten trotz akuter Wohnungsnot der Abriß.

Doch an der Chemitzstraße liegt der Fall gaaanz anders. Da geht es nicht nur um die Vernichtung von ein bißchen Wohnraum und Altbausubstanz – oh nein! Denn an der Stelle, wo die Dortmunder Brauer bauen wollen, steht sozialdemokratische Geschichte und Arbeiterkultur auf dem Spiel.

Horst Emmel, Fraktionsvorsitzender der Altonaer SPD, fühlt sich durch die Brauereipläne seiner historischen Wurzeln beraubt: „Ich selber und viele Bezirks- und Bürgerschaftsabgeordnete haben hier einen Teil ihrer politischen Sozialisation erfahren“. Jawohl! Jahrelang sei die Eckkneipe, deren Existenz von den B(r)auplänen bedroht ist, „Tagungsort des SPD-Distrikts gewesen“, in den siebziger Jahren hätten hier „die innerparteilichen Richtungskämpfe getobt, wie sie in der SPD zu dieser Zeit stattfanden“.

Ob Stamokap oder Nato-Doppelbeschluß, schwärmt Emmel, in den Räumen des heutigen Woodpecker „ging es hoch her, wenn diskutiert wurde“. Wir glauben das gern. Und wie die “ersten politischen Gehversuche“ ausgesehen haben, die laut Emmels Erinnerung nach manch feuchtfröhlicher Diskussion „jetzige Bürgerschaftsabgeordnete in diesem Lokal“ tätigten, können wir uns ebenfalls lebhaft vorstellen. Die Angesprochenen sind in der Eckkneipe übrigens auch heute noch gern gesehene, weil gut konsumierende, Gäste.

Damit dieser - vom Mantel der Arbeiterparteigeschichte so historisch - umwehte Ort nicht des schnöden Mammons wegen weicht, fletschen Altonas Sozialdemokraten nun kräftig die Zähne. Zusammen mit der GAL lehnten sie am Montag im Altonaer Sanierungsausschuß das Bau-Projekt in Bausch und Bogen ab.

Wo und vor allem in welchem Zustand die Alt(onaer)-Sozis anschließend ihre Presserklärung verfaßt haben dürften, läßt sich nach deren Lektüre unschwer erraten. Kleine Textprobe in Original-Orthographie: „Dazu soll der Alto-naer Szenetreff 'Woodpecker' abgebrochen und durch ein 6-geschossigen Neubau ersetzt werden. Das geltende Baurecht sieht hier eine viergeschossige Bauweise vor. Ein Geschoß weniger als die Investoren bauen wollen“.