Südafrikas Außenminister ist amtsmüde

■ Alfred Nzo bat Mandela um Entlassung / Rivalitäten und Enttäuschung im ANC vor dem ersten Parteitag seit den Wahlen / Streit um Inder und Weiße im Vorstand

Johannesburg (taz) – Südafrikas Außenminister Alfred Nzo hat die Lust an seinem Posten verloren. Nach Informationen der taz bat er im November Präsident Nelson Mandela, seinen alten Freund aus Jugendtagen, ihn von seinem, so wörtlich, „caretaker job“ zu entbinden. Mandela antwortete noch nicht. Aber Nzo empfindet sich als bloßer Amtsverweser des Außenministeriums. Die Lust am Amt vergällte ihm Thabo Mbeki, der stellvertretende Präsident, der alle wichtigen internationalen Befugnisse an sich gezogen hat. Aber bei dem Versuch, Cyril Ramaphosa, seinen Widersacher im Kronprinzenstreit um die Mandela-Nachfolge, auszuschalten, mußte Mbeki klein beigeben. „Ich habe nichts gegen Ramaphosas Wiederwahl zum Generalsekretär des African National Congress“, erklärte Mbeki, nachdem seine Gefolgsleute sogar einen Gegenkandidaten lanciert hatten. Ramaphosa konnte sich die Rückendeckung durch die wichtigsten Landesverbände für den am kommenden Sonntag in Bloomfontein beginnenden ANC-Parteitag sichern.

„Einheit geht über alles“, lautet die von Parteimanager Ramaphosa herausgegebene Devise für die Konferenz mit 3.000 Delegierten. Aber sieben Monate nach der Regierungsübernahme rumort es kräftig im ANC. Dabei geht es keinesfalls nur um die Scharmützel zwischen dem machthungrigen Mandela-Vertrauten Mbeki und dem ambitiösen Ramaphosa. Im kommenden Jahr stehen die ersten Kommunalwahlen im apartheidfreien Südafrika an. Ein Urnengang, der nicht nur die Gräben zwischen Schwarz und Weiß wieder aufreißen könnte, sondern auch zeigen wird, ob beim Wahlvolk Enttäuschung über den ANC- Regierungskurs herrscht.

Nelson Mandela besuchte kürzlich das Elendsviertel Orange Farm bei Johannesburg. „Wir haben kein Geld“, enttäuschte der charismatische Staatschef die Hoffnungen seiner Anhänger, „Veränderungen werden lange dauern.“ Im ANC nimmt die Kritik am langsamen Tempo und an Mandelas Versöhnungskurs gegenüber Weißen, Indern und Farbigen deutlich zu. „Wir wollen, daß sich endlich etwas für uns ändert“, argumentieren die Afrikaner in der ehemaligen Widerstandsbewegung.

Eine ANC-Fraktion verlangt sogar, daß beim Parteitag nur Schwarze in Vorstand und Präsidium gewählt werden sollen. Generalsekretär Cyril Ramaphosa wurde vorgehalten, das ANC- Hauptquartier in den Händen von Indern und Weißen gelassen zu haben, um sich selbst der hohen Politik zu widmen. Doch diesen Vorwurf muß der Rechtsanwalt nicht alleine tragen. Nach der gewonnenen Wahl im April tauschte nahezu der gesamte Funktionärsstab im Johannesburger ANC-Hauptquartier die Büros gegen Parlamentssitze in Kapstadt ein.

Das Resultat beschreibt ein enger Mitarbeiter des ehemaligen Gewerkschaftsbosses und jetzigen Überministers für das Wiederaufbauprogramm RDP, Jay Naidoo, mit ernüchternden Worten: „Der ANC ist nicht wirklich gefordert, da es keine effektive Opposition gibt. Dadurch gibt es Zeit und Gelegenheiten für interne Reibereien.“ Ein liebgewordenes Thema bei Streitereien: die ANC-Wandlung von der Widerstandsbewegung zur Partei. Die Beibehaltung liebgewordener und mittlerweile oft romantisierter „struggle politics“ steht auch bei den Diskussionen um das Kommunalwahlkampfkonzept im Mittelpunkt.

Cheryl Carolus, die für diesen Wahlkampf verantwortlich zeichnet, ist als Stellvertreterin von Ramaphosa im Gespräch. Der bisherige Generalsekretär wird, wenn er bereit ist, anzutreten und nicht eine Alternative in Südafrikas Privatwirtschaft vorzieht, auch in Zukunft als Manager des ANC eine machtvolle Position im Ringkampf mit Konkurrent Mbeki erhalten. Ramaphosas Kalkül: Die gegenwärtige Regierung inklusive Mbeki könnte sich bis zum Ende ihrer Amtszeit 1999 verschleißen, er selbst anschließend wie der Phönix aus der Asche steigen.

Mbeki wiederum versucht, über Posten den Anspruch auf die Nachfolge Mandelas zu zementieren. So wird er nun auch im ANC ohne Gegenkandidaten zu Mandelas Stellvertreter gewählt werden. Der bisherige stellvertretende ANC-Präsident Walter Sisulu, der mit Mandela 27 Jahre in politischer Haft verbrachte, wird aufhören. Vorher allerdings muß er noch eine Aufgabe erledigen, die ihm von Nelson Mandela höchstpersönlich anvertraut wurde: Sisulu soll eine Zusammensetzung des Präsidums und Politbüros ausbaldowern, die auch Südafrikas Minderheiten gerecht wird – und die Ambitionen der Fraktion bremsen, die nur Afrikaner – sprich Schwarze – an der Spitze sehen wollen. Willi Germund