■ Mit der Solarforschung auf du und du
: Am falschen Ende

Berlin (taz) – Etwa 1,3 Milliarden Mark hat die Europäische Union seit 1994 für die Erforschung sogenannter „nichtnuklearer Energien“ ausgegeben. Ein Teil dieses Geldes floß in Projekte der Solartechnik. Größzügig war die Finanzhilfe nicht, der SPD-Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer schätzt, daß in den USA in jedem Jahr das Doppelte an Staatsgeldern für diesen Zweck ausgegeben werden.

Davon können Solaringenieure in Europa nur träumen. Das EU-Förderprogramm, das in aller Bescheidenheit den schönen Namen „Thermie“ trug, läuft Ende dieses Jahres aus. Die Europäische Kommission dachte über eine modifizierte Fortsetzung nach, die vor allem erlauben würde, einzelne Vorhaben differenzierter zu fördern als bisher. Das Finanzvolumen sollte ungefähr beibehalten werden, der Entwurf sah 1,1 Milliarden Mark für das Programm „Thermie II“ vor.

Aber die Kommission hatte den Sparwillen der europäischen Regierungen unterschätzt. Schon die Finanzminister strichen die Solarförderung auf knappe sechzig Millionen Mark zusammen, danach fanden die Forschungsminister, selbst diese milde Gabe sei zuviel. Sie genehmigten eine kräftige Finanzhilfe für weitere Kernfusion-Experimente von etwa 1,5 Milliarden Mark, Geld für nichtnukleare Energien oder gar Sonnenprojekte war nun nicht mehr vorhanden – der gesamte Forschungsetat der EU beläuft sich auf sechsundzwanzig Milliarden Mark.

„Thermie II“ ist gescheitert, auch das Europäische Parlament legte keinen Widerspruch ein, obschon es seine Zustimmung zum gesamten Forschungsetat zunächst an die Bedingung geknüpft hatte, daß das nichtnukleare Forschungsprogramm fortgesetzt werde. Aber Jürgen Rüttgers (CDU), der frisch gekürte Forschungsminister Deutschlands, teilte der empörten grünen Europaabgeordneten Undine von Blottnitz am Monatag mit, man werde darüber noch nicht einmal mehr diskutieren.

Die Abgeordnete klagt, daß das Parlament wieder versäumt habe, Eigenständigkeit zu demonstrieren.

Hermann Scheer rechnet den Forschungspolitikern eine Fehlentscheidung mit langfristigen, wirtschaftlichen Folgen vor. Denn Europa könne bei den „End of Pipe“-Techniken des „nachsorgenden Umweltschutzes“ nur noch kurze Zeit seine führende Rolle behaupten. Amerika sei schon dabei, mit der gezielten Förderung regenierbarer Energien am anderen Ende, am „Begin of Pipe“, einen kaum noch einholbaren Vorsprung zu gewinnen. Niklaus Hablützel