Gewerkschaften für den Sonnenkönig

■ Proteste gegen die Tabakprivatisierung in Frankreich

Paris (taz) – Dicke Luft in den Hallen, in denen die Gauloises, Gitanes und die neumodischen Blondes nicht geraucht, sondern gerollt werden. Die Regierung will ihre Tabakmonopol-Firma „Seita“ bis zum Ende des kommenden Jahres privatisieren. Ein großer Teil der 5.500 MitarbeiterInnen der über das ganze Land verteilten Fabriken und ein Teil der Tabak-Bauern in der südfranzösischen Region Aquitaine, die fast die gesamte Ernte an die „Seita“ verkaufen, befinden sich im Streik. 200 von ihnen demonstrierten am Montag in Paris vor dem Senat, während dort der Privatisierungsvorschlag von Wirtschaftsminister Edmond Alphandéry debattiert wurde.

Die Belegschaft befürchtet, daß bei der Privatisierung ein Teil ihrer Arbeitsplätze verlorengehen, die auf fünf Zigaretten-, zwei Zigarren-, eine Pfeifentabak- und eine Streichholzfabrik verteilt sind. Genau wie die Streikenden forderten im Senat mehrere kommunistische Abgeordnete die Beibehaltung des staatlichen Monopols.

Nach Ansicht des Wirtschaftsministers strotzt die Seita nur so vor Gesundheit. Sie hat einen Jahresumsatz von 16 Milliarden Franc (ca. 4,8 Milliarden Mark) und einen Gewinn von 600 Millionen Franc (ca. 180 Millionen Mark). „Sobald die Marktbedingungen das zulassen“, will Alphandéry verkaufen.

Der Wert wird auf sieben Milliarden Franc (ca. 2 Milliarden Mark) angesetzt. Der Staat will eine Beteiligung von zehn Prozent behalten, um den Zugriff ausländischer Tabakkonzerne abzublocken. 33 Prozent sollen einem „harten Kern“ von AktionärInnen verkauft werden. Insgesamt erwartet Alphandery mit der Transaktion einen Gewinn von sechs Milliarden Franc für die Staatskasse. Die Seita steht bereits seit Antritt der konservativen Regierung im März vergangenen Jahres auf der Liste der 21 „Privatisables“. Doch solange der Verkauf von „Elf“, „Rhône-Poulenc“ und anderen großen Objekten anstand, redete kaum jemand davon. Jetzt will Alphandéry die ins Stocken geratene Privatisierung mit Seita wieder ankurbeln. Die anderen staatlichen Angebote – das hoch verschuldete staatliche Flugunternehmen Air France und der staatliche Elektronikriese Bull – sind entschieden weniger attraktiv.

Die „Societe d' Exploitation Industrielle des Tabacs et des Allumettes“ (Seita) dagegen stammt aus dem ausgehenden 17. Jahrhundert. Jean-Baptiste Colbert, Finanzminister des Sonnenkönigs Ludwig der IX., gründete das Unternehmen, das nicht nur die Produktion monopolisiert, sondern auch einen großen Teil des Vertriebs kontrolliert. Dorothea Hahn