Armenier können bleiben

■ In Niedersachsen gilt bis Ende April 1995 ein Abschiebestopp für Armenier

Hannover (taz) – Das Land Niedersachsen hat die Abschiebung von Flüchtlingen aus Armenien bis Ende April nächsten Jahres ausgesetzt. Etwa 150 Armenier, deren Asylantrag in Niedersachsen abgelehnt wurde, werden damit zumindest während der Wintermonate nicht in ihre Heimat zurückverfrachtet. Landesinnenminister Gerhard Glogowski begründete den Abschiebestopp mit der katastrophalen Versorgungslage in Armenien und mit Berichten, nach denen abgeschobene Armenier zum Kriegsdienst in der armenischen Exklave Nagorny Karabach gezwungen worden sind. Die derzeitigen Lebensbedingungen in Armenien, insbesondere die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Energie, seien nur als desolat zu bezeichnen. Es sei daher Familien mit Kindern oder auch alten Menschen nicht zuzumuten, sich während der Wintermonate in ihrer Heimat eine neue Existenz aufzubauen. In Deutschland leben zur Zeit insgesamt etwa 5.800 Flüchtlinge aus Armenien, davon 720 in Niedersachsen. Auf der letzten Innenministerkonferenz hatte Glogowski vergeblich darauf gedrängt, daß zumindest Flüchtlinge aus Nagorny Karabach nicht mehr nach Armenien abgeschoben werden. Niedersachsen machte sich damit eine Forderung des Flüchtlingskommissars der UNO zu eigen. Dieser hatte verlangt, daß vor weiteren Abschiebungen die armenische Regierung zunächst zusichern müsse, daß zurückkehrende Flüchtlinge nicht in den Kriegseinsatz in Nagorny Karabach weitergeschoben werden.

Auch Schleswig-Holstein erließ gestern einen sechsmonatigen Abschiebestopp für Asylbewerber aus Togo und hat gleichzeitig bis zum 30. April 1995 die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber aus Armenien ausgesetzt. Jürgen Voges