Berlusconi vs. Justiz: Ring frei zur nächsten Runde

■ Italiens Ministerpräsident zur Vernehmung in Mailand / Justizminister Biondi Mitglied von Geheimlogen? / Oberrichter Valente hängt die Robe an den Nagel

Rom (taz) – Seit Wochen war das Rendezvous des Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi mit den Spitzen der Mailänder Antikorruptionskommission verschoben und mit Spannung erwartet worden. Jetzt, da es stattfand, gibt es nur ein paar allgemeine Sprüche im Anschluß. Erst in einigen Wochen wird Italien erfahren, ob die Mailänder Staatsanwälte den Unschuldsbeteuerungen Berlusconis geglaubt haben oder ob sie formell Anklage wegen Verdachts der Bestechung von Finanzbeamten erheben. Zur Vorbereitung hatte Berlusconi noch einmal alle Register der verfolgten Unschuld gezogen: Im Fernsehen und im Rundfunk und noch einmal in einem offenen Brief an die Industriellen- Zeitung Il sole 24 ore klagte er lautstark über „die schlimmste Verschwörung der gesamten Nachkriegszeit“, die nur das eine Ziel habe, Italien zu destabilisieren.

Bisher haben sich die Mailänder Untersuchungsrichter davon nicht sonderlich beeindrucken lassen. Sie haben offenbar neues, schweres Belastungsmaterial gefunden, so etwa Auslandskonten, die nachweislich zu Schmiergeldzwecken angelegt worden waren und zu denen auch Berlusconi selbst Zugang hatte und nicht nur einige Untergebene, wie er behauptet.

Die Vernehmung Berlusconis spielt sich vor dem Hintergrund weiterer schwerer Auseinandersetzungen zwischen der Rechtspflege und den politischen Kräften ab. So hat der Rücktritt von Chefermittler Di Pietro vorige Woche nun auch die Demission des Vorsitzenden der 1. Kammer des Kassationsgerichts (entspricht unserem Bundesgerichtshof), Arnaldo Valente, nach sich gezogen. Der Oberrichter hatte Di Pietro die Kompetenz für die Ermittlungen gegen hohe Finanzbeamte entzogen, für jenes Verfahren eben, in das auch Berlusconi verwickelt ist. Jetzt gab er die Angriffe von Presse und Richterkollegen gegen diese Entscheidung als Grund für den Rücktritt an. Allerdings vermuten Insider einen ganz anderen Grund, nämlich familiäre Verstrickungen in den Fall: Sein Sohn soll Kontakte zum Hauptangeklagten, er selbst zu dessen Verteidiger pflegen.

Noch schwerer als dieser mögliche Filz wiegt jedoch ein anderer Verdacht: Nach einem Bericht der Tageszeitung L'Unità soll in einem abgehörten Telefongespräch zwischen Mafiosi und anderen Dunkelmännern ein Hinweis auf eine Mitgliedschaft des derzeitigen Justizministers Alfredo Biondi in einer Geheimgesellschaft enthalten sein – eine böse Reminiszenz an die vor zwölf Jahren aufgeflogene Loge „Propaganda 2“. Die hatte den gesamten Staat durchsetzt, Parteien, Polizei, Geheimdienste, das Militär, die Massenmedien, und zu ihr hatte auch Berlusconi gehört. Just hinter diesem Gesprächsmitschnitt scheinen Inspektoren hergewesen zu sein, die das Justizministerium wiederholt ausgeschickt hatte – vorgeblich, um „Unregelmäßigkeiten“ in den Gerichten Palermos zu überprüfen. Doch sie waren so zielgerichtet auf die Kammer mit den Mitschnitten zumarschiert, daß die dortigen Staatsanwälte eine klare Vernebelungsabsicht vermuteten und nun ihrerseits wegen Bruchs des Ermittlungsgeheimnisses recherchieren. Werner Raith