Steinmetz entlastet Hogefeld

■ Die Anklage wegen Mordes an dem GSG-9- Beamten in Bad Kleinen ist kaum zu halten

Berlin (taz) – Birgit Hogefeld hätte in Bad Kleinen auch dann keine tödlichen Schüsse auf Polizeibeamte abgefeuert, wenn sie vor ihrer Festnahme dazu Gelegenheit gehabt hätte. Diesen Schluß legt eine geheime Aussage des Verfassungsschutz-V-Manns Klaus Steinmetz nahe, die der taz vorliegt. Die frühere RAF-Aktivistin steht derzeit in Frankfurt am Main vor Gericht, wo sie sich unter anderem wegen Mordes an dem GSG-9-Beamten Michael Newrzella zu verantworten hat, der Ende Juni letzten Jahres im Kugelhagel von Bad Kleinen starb. Dieser Punkt der Anklage gerät mit der Steinmetz-Aussage endgültig ins Zwielicht.

Steinmetz hatte die Fahnder auf die Spur der RAF-Untergrundgruppe geführt und Ende Juni 1993 den Antiterroreinsatz von Bad Kleinen ausgelöst. Laut einem als „geheime Verschlußsache“ deklarierten Vernehmungsprotokoll berichtete er den Karlsruher Bundesanwälten am 24.Juli 1993 über ein Treffen mit Hogefeld, das gut zwei Monate vor ihrer Festnahme in Cochem an der Mosel stattfand. Im Verlauf des Meetings wollte Steinmetz wissen, ob sie die Waffe, die sie bei sich trug, auch einsetzen würde. Steinmetz' Bericht: „Sie erklärte, daß, wenn sie einer Armee gegenüberstünde, sie nicht von der Waffe Gebrauch machen werde. Wenn sie jedoch in eine Situation kommen sollte, wo beispielsweise ein Polizist eine Personenkontrolle durchführen würde, wollte sie diesen Polizisten nicht erschießen, aber die Waffe benutzen, um wegzukommen.“

Die Bundesanwaltschaft konstruiert den Mordvorwurf im Zusammenhang mit der Festnahmesituation – trotz dieser Aussage der Beschuldigten gegenüber einem vermeintlichen „Genossen“ – nach altem Muster: Innerhalb der RAF sei es, so die Klageschrift, nach wie vor „ständig geübte Verhaltensweise“, daß jeder jedem im Fall einer Festnahmesituation den Fluchtweg auch „durch die Tötung von Polizeibeamten“ freischieße. Damit sei Hogefeld bei der Tötung des GSG-9-Beamten „Mittäterin“, obwohl sie selbst gar nicht geschossen habe. Die entlastende Aussage des V-Manns, der sogar „Rückzugsgedanken“ bei Hogefeld herausgehört haben will, wird in der Anklageschrift nicht berücksichtigt. Gerd Rosenkranz

Tagesthema Seite 3 und Kommentar Seite 10