Karadžić als UNO-Kommandant

■ Bosniens Serben dürfen von nun an über jeden einzelnen Flug der UNO nach Sarajevo entscheiden

Sarajevo/Genf (taz) – Eine Auswechslung des Unprofor-Kommandanten in Bosnien, Michael Rose, durch Radovan Karadžić würde inzwischen kaum mehr auffallen. Nachdem der bosnische Serbenführer am Montag die Begleitung humanitärer Konvois durch gepanzerte Unprofor-Fahrzeuge „verboten“ hatte, darf er künftig auch über Flüge der Unprofor nach Sarajevo entscheiden. Denn Karadžić hat der Unprofor die prinzipielle „Erlaubnis“ erteilt, den routinemäßigen Austausch ihrer Soldaten in Sarajevo über den Flughafen durchzuführen. Für jeden Flug muß die Unprofor jedoch künftig in Pale eine gesonderte Einzelgenehmigung einholen. Ein entsprechendes Verfahren verlangt Pale auch für die humanitären Hilfsflüge nach Sarajevo. Über ihre Wiederaufnahme wurde bisher keine Vereinbarung erzielt.

Die Unprofor und das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) wollten nach Angaben eines Sprechers gestern „testen, wie ernst das Verbot einer bewaffneten Begleitung von Hilfskonvois gemeint ist“. Ein von gepanzerten Fahrzeugen der Blauhelme begleiteter Konvoi aus 40 dänischen Lastwagen mit 500 Tonnen Nahrungsmitteln bewegte sich am Nachmittag aus Kroatien kommend auf den ersten serbischen Kontrollpunkt vor Sarajevo zu. Krajina-Serben hatten am Montagabend mit gezielten Raketenangriffen gegen ein Fahrzeug der Unprofor in der Nähe der nordwestbosnischen Stadt Velika Kladuša vier Soldaten aus Bangladesch schwer verletzt. Aus „Sicherheitsgründen“ untersagten die Serben anschließend den Abtransport der Schwerverletzten mit einem Rettungshubschrauber. Sie mußten daraufhin auf dem Landweg in ein Lazarett transportiert werden. Einer der vier UNO-Soldaten erlag inzwischen seinen Verletzungen.

Dennoch steht der Abzug der 23.000 Mann starken Truppe aus 13 Nationen nicht ernsthaft zur Debatte. Insofern erwecken die Planungen von Nato-Einsätzen zur Sicherung eines UNO-Abzugs einen falschen Eindruck. Selbst Frankreich korrigierte inzwischen seine Rückzugsdrohungen. „Wir weigern uns, den Serben die Belohnung zu geben, mit der sie offensichtlich rechnen“, erklärte Verteidigungsminister François Léotard nach einem Treffen mit seinem US-amerikanischen Amtskollegen William Perry. Léotard und Perry erörterten sogar eine zahlenmäßige Verstärkung der Unprofor-Truppen, ihre bessere Bewaffnung, die effektivere Durchsetzung ihres Mandats sowie die Einrichtung eines ständigen, militärisch überwachten Landkorridors für Hilfslieferungen zwischen Adriaküste und Sarajevo. Anlaß für den französischen Schwenk ist offensichtlich die Sorge vor einer „Islamisierung“ der Unprofor. Die Teilnehmerstaaten Pakistan, Malaysia, Jordanien und Ägypten hatten sämtlich erklärt, daß sie ihre Truppenkontingente selbst bei einem Rückzug Frankreichs, Großbritanniens und anderer westlicher Staaten in Bosnien belassen. Andreas Zumach