In Scheiße greifen

■ Neues Reportermagazin: "Die Redaktion" (22 Uhr, RTL 2)

Der Telefon-Terminator ist wieder da. Noch bis April machte Joachim Steinhöfel (32) mit markigen Yuppie-Sprüchen die AnruferInnen der Call-in-Show „18:30“ (RTL) fertig. Dann war vorerst Ruhe. Allzu deutlich hatte Steinhöfels polarisierende Polemik die heile Einschaltquotenwelt der Kölner durcheinandergebracht. „18:30“ wurde eingestellt.

Der Hamburger Anwalt Steinhöfel zog sich zurück in seine Kanzlei für Wettbewerbsrecht. Doch jetzt sucht er wieder „Abwechslung“ vom Aktenalltag in Berlin-Adlershof – dort, wo das Team von „elf 99“ jetzt als freier TV-Produktionskader jobbt. Im Studiointerieur einer alten Villa tagt die real existierende Redaktionskonferenz des RTL-2-Magazins „Die Redaktion“.

Steinhöfel reist einen Tag pro Woche als „Redaktionsleiter“ an und bringt die neun ReporterInnen dazu, ihre Themen als möglichst heiße Ware zu verkaufen. Die gesammelten Kernaussagen der Macher ersetzen die Moderation. „Da brutzelt's auch schon mal zwischendurch“, hofft RTL-2-Magazinchef Uwe Heinemann. Sein aggressiver Anchorman soll dafür sorgen, „daß eine gewisse Voltstärke rüberkommt“. „Die Reporter“ auf Pro 7 lassen grüßen. Sex & Crime sei „definitiv nicht ausgeschlossen“, sagt Heinemann, soll aber „kein Schwerpunkt“ werden. In der ersten Folge geht es denn auch empörterweise um so korrekte Themen wie Ärztepfusch oder Tiere, die für die Pelzzucht verkrüppelt wurden.

Demnächst will „Die Redaktion“ sogar wallraffen. In echt investigativen Reportagen soll etwa Obdachlosigkeit aus der Clochard- Perspektive recherchiert werden. Und Yuppie Steinhöfel outet sich als Grüner. Er würde sich gerne mit Umweltkriminalität beschäftigen, auch mit dem EU-Agrarmarkt mit seinen Überproduktionen und Dumpingpreisen. Aber „das plakativ zu machen, das ist sehr schwer“, denn „die Leute scheren sich nur um Arbeitsplätze“.

Ob der Öko-Trend in RTL 2 Fuß faßt, ist fraglich. Immerhin ködert das Schwester-Boulevardmagazin „Die Reportage“ bis zu 1,5 Millionen ZuschauerInnen mit bewährten Aufreißerthemen wie (weibliche) „Sex-Träume auf Jamaika“. Steinhöfel möchte nicht wie die „sendungsbewußten Studienräte“ von ARD und ZDF „das System anprangern“, sondern „mit der gebotenen Selbstdistanzierung an die Eigeninitiative des Individuums appellieren“. Als Jurist setzt er die „versteckte Kamera“ nur bedingt ein – wegen der „Legalitätsgrenzen“. Dennoch: Spekulationen seien ein Balanceakt; da behalte er sich auch das Recht vor, danebenzuliegen und „in die Scheiße zu greifen“. Dieter Deul