Sieben Stunden im Justizpalast ...

Silvio Berlusconi wurde gestern in Mailand ausgiebig vernommen / Die Anschuldigungen nennt er „ein Gespinst des Oberstaatsanwalts“ / Justizinspektoren treten kollektiv zurück  ■ Aus Rom Werner Raith

Hocherhobenen Hauptes gehe er in die Vernehmung, hatte Silvio Berlusconi am Tag vor seinem Treffen mit den Staatsanwälten der Antikorruptionskommission in Mailand angekündigt. Mehr als sieben Stunden saß er seinen Widersachern im Justizpalast seiner Heimatstadt gegenüber, und als er – eigenhändig sein Gefährt steuernd – wieder aus dem Gebäude herausfuhr, hatte er zwar immer noch markige Worte parat, schwieg sich über den Erfolg seiner Verteidigungstrategie allerdings deutlich aus.

Es gebe keinen einzigen Menschen, der ihn direkt anklage, keinerlei schriftliches Dokument, das belege, er selbst habe zur, inzwischen unter anderem durch die Aussage seines Bruders Paolo und mehrerer Topmanager seines Unternehmens beweiskräftig festgestellten, Bestechung von Steuerfahndern beigetragen oder diese auch nur billigend hingenommen. „Alles nur ein Gespinst des Oberstaatsanwalts Borelli“, wiederholte Berlusconi schon fast monoton.

Die Mailänder Staatsanwälte ihrerseits verweigerten unter Hinweis auf das Ermittlungsgeheimnis jeden Bericht über die Vernehmung, kommentierten seine „Gespinst“-These allerdings mit dem trockenen Satz: „Das hängt natürlich sehr von der Sichtweise ab.“ Tatsächlich hatten die Ermittler Berlusconi eine ganze Reihe von Indizien in mehreren Ermittlungssträngen entgegenzuhalten. So etwa die belegte Unterschriftsberechtigung Silvio Berlusconis für Schweizer Konten, aus denen die Schmiergelder bezahlt wurden – unmöglich, daß der Mann bei Einrichtung der Schwarzen Kasse nicht über deren Zweck informiert worden ist, mutmaßen die Strafverfolger.

Anderer Campus der Auseinandersetzung: die wahren Eigentumsverhältnisse beim Pay-TV- Sender Telepiu. Nominell besitzt Berlusconi davon nur zehn Prozent, die Höchstgrenze, die ihm das geltende Mediengesetz dort gestattet. Und doch hat er, wie eigene Manager und Unterhändler ausländischer Medienunternehmen ausgesagt haben, Interessenten den Kauf der gesamten Aktienmehrheit dieses Senders angeboten.

Inzwischen machen die Fußtruppen der wenigen verbliebenen regierungstreuen Politiker mobil. So haben sämtliche Inspektoren zur Überprüfung möglicher Unregelmäßigkeiten bei Staatsanwaltschaften, das bei dem besonders Berlusconi-hörigen Minister Alfredo Biondi angesiedelt ist, ihren sofortigen Rücktritt erklärt und diesen mit den „ständigen Polemiken gegen unsere Arbeit“ begründet, speziell aus den Anklagebehörden Mailands und Palermos. Tatsächlich hatten die dortigen Strafverfolger den Justizsendlingen Einmischungen in laufende Verfahren und mitunter auch gezielte Akquirierung von geheimen Dokumenten aus Ermittlungen gegen Regierungsmitglieder vorgeworfen.

Der kollektive Rücktritt wird freilich von der italienischen Öffentlichkeit vorwiegend als das eingeordnet, was er wohl auch ist – ein schon fast verzweifeltes Kontrastprogramm zur Demission von Italiens beliebtestem Antikorruptionsermittler Antonio Di Pietro. Der hatte vorige Woche just wegen der Behinderungen durch die Justizbeamten Biondis seine Robe abgelegt.