Arbeitgeber wollen „heilige Kuh“ schlachten

■ Tarifverhandlungen in der Metallindustrie: Gesamtmetall besteht auf Nullrunde und will 35-Stunden-Woche zur Disposition stellen / IG Metall fordert sechs Prozent

Frankfurt/Main (taz) – Die Fronten für die Tarifverhandlungen in der Metallindustrie sind abgesteckt: Die IG Metall besteht auf einer Lohn- und Gehaltserhöhung von sechs Prozent für die rund 310.000 Beschäftigten der Branche – die Arbeitgeber auf einer weiteren Nullrunde. „Wir brauchen einen kostenneutralen Abschluß“, erklärte etwa der Vorsitzende des Arbeitgeberverbandes Hessen- Metall vor den gestern in einem Nobelhotel am Frankfurter Rhein- Main-Flughafen aufgenommenen Verhandlungen für den Bezirk Hessen. Zwar sei man generell bereit, in diesem wichtigen Tarifbezirk mit Opel in Rüsselsheim und VW in Baunatal über ein maßvolle Lohnerhöhung zu diskutieren. Doch falls es dazu kommen sollte, werde die Arbeitgeberseite auf einen Ausgleich etwa durch Kürzungen beim Urlaubs- oder Weihnachtsgeld drängen.

Auf solche „Geschäfte“ will sich die IG Metall aber nicht einlassen, denn diesmal – so heißt es in der IG-Metall-Zentrale in Frankfurt am Main – müsse für die ArbeitnehmerInnen „sichtbar“ etwas im Geldbeutel hängen bleiben. Die geforderten sechs Prozent würden ohnehin von dem ab 1.Januar 1995 geltenden Solidarzuschlag für den Aufschwung im Osten, der prognostizierten Preissteigerungsrate und dem Arbeitnehmeranteil für die Pflegeversicherung aufgefressen. Auch für mehr Beschäftigung, so der zweite Vorsitzende der IG Metall, Walter Riester, brauche man höhere Einkommen, die dann zu einer höheren Inlandsnachfrage führten. Diese Gleichung müsse auch von der Arbeitgeberseite nachvollzogen werden können, denn schließlich gehe es den Gewinnen „wieder besser“ und die Produktivität sei gestiegen.

Noch wird die „Gleichung“ Riesters vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall nicht einmal im Ansatz nachvollzogen. Im Gegenteil: In den Bezirken Nordwürttemberg/Nordbaden und Nordrhein- Westfalen wollen die Arbeitgeber gar eine „heilige Kuh“ schlachten. Die für den 1. Oktober 1995 vorgesehene Einführung der 35-Stunden-Woche soll in den kommenden Tarifverhandlungen zur Disposition gestellt werden, denn deren Realisation würde bei den Lohnkosten mit „nicht verkraftbaren“ 2,8 Prozent zu Buche schlagen.

„Mit der 35-Stunden-Woche machen wir kaputt, was wir erreicht haben“, lamentierte etwa der Verhandlungsführer der Metall-Arbeitgeber in Nordwürttemberg/Nordbaden, Dieter Hundt. Die Arbeitgeber wollen deshalb den bereits vereinbarten „Arbeitszeitkorridor“, mit dem in den einzelnen Betrieben kürzere Arbeitszeiten als in den Tarifverträgen vereinbart werden können, nach oben ausdehnen. Da wird die IG Metall nicht mitspielen. Schon heute sei in der metallverarbeitenden Industrie – im Vergleich zum Juni 1994 – die Anzahl der Überstunden um 30 bis 60 Prozent (Automobilindustrie) gestiegen, sagte IG-Metall-Chef Klaus Zwickel. Die Arbeitgeber, so Zwickel weiter, sollten auf diese Überstunden verzichten und damit den Weg für Neueinstellungen freimachen. Rund 100.000 neue Arbeitsplätze könnten so geschaffen werden. Und die 35-Stunden-Woche werde für einen zusätzlichen Beschäftigungseffekt sorgen.

Das sieht auch Walter Riester so: „Wir brauchen die weitere Arbeitszeitverkürzung, damit die vorhandene Arbeit auf mehr Menschen verteilt werden kann.“ Deshalb werde die IG Metall auf der Einführung der 35-Stunden-Woche zum vorgesehenen Termin bestehen und die festgelegte Lohn- und Gehaltsforderung „konsequent“ vertreten. Klaus-Peter Klingelschmitt