Vermittlung durch Privatmann Carter?

■ Bosniens Serbenführer Karadzic legt einen neuen Sechs-Punkte-Plan vor / Ex-US-Präsident Jimmy Carter will im Bosnienkrieg Diplomatie beweisen / Am Ziel des Großserben hat sich nichts geändert

Wien (taz) – Bosniens Serbenführer Radovan Karadžić wedelt mit der Friedenspeitsche. An den amerikanischen Ex-Präsidenten Jimmy Carter richtete er am Mittwoch die Bitte um Vermittlung im Bosnienkrieg – und der Feuerwehrmann dieses Jahres scheint zu einer solchen Aktion „grundsätzlich bereit zu sein“. Nach den Operationen in Nordkorea und Haiti will Carter nun auch bei seiner wohl schwierigsten Mission sein diplomatisches Geschick einsetzen.

Der Amerikaner scheint davon auszugehen, daß es Karadžić ernst meint und zu seinem neuesten 6-Punkte-Plan stehen wird. Den legte der Großserbe Carter in einem Telefongespräch dar.

Die bosnischen Serben kündigen diesem Plan zufolge einen Waffenstillstand für Sarajevo an. Der Flughafen der bosnischen Hauptstadt könne wieder für humanitäre Flüge geöffnet werden. Außerdem sollen alle Kriegsgefangenen unter 19 Jahren freigelassen und keine UN-Blauhelme mehr als Geiseln genommen werden. Der Serbenführer betonte, Ziel der Vorschläge sei es, einen „Durchbruch“ bei den Verhandlungen über die Beendigung des Krieges erreichen zu wollen. Keinen Zweifel ließ er jedoch daran, daß die derzeit von den Serben besetzten Gebiete nicht zurückgegeben werden. Auf dem Gebiet Bosnien- Herzegowinas sollten zwei Staaten entstehen.

Aus diesen „Angeboten“ spricht pure Verachtung für die UNO. Karadžić gibt sich als der große Feldherr, dem es erlaubt ist, nach Belieben UN-Personal zu schickanieren. Er gibt zu, daß seine Truppen minderjährige Bosnier als Kriegsgefangene halten, angebliche „Kindersoldaten“, die von ihren Vorgesetzten zum „Heiligen Krieg“ gegen die serbischen Freischärlerbanden aufgestachelt worden seien.

Bosniens Regierung wies diese Anschuldigungen dann auch umgehend und mit Entschiedenheit zurück. Vizepräsident Ejup Ganić beschuldigte die serbische Seite, Frauen und Kinder wie „Kriegsverbrecher“ zu behandeln und deren „Freilassung“ nun als großzügiges Angebot darzustellen. Der 6-Punkte-Plan wurde als „plump“ und „inhaltslos“ bezeichnet.

An eine ernsthafte Umsetzung seiner Initiative scheint Karadžić aber selbst nicht zu glauben. Ihm geht es darum, Zeit zu gewinnen. UNO und Nato sollen von entschiedeneren Schritten gegen die Serben abgehalten werden. Mit dem Schachzug, einen „Privatmann“ als Schiedsrichter anzuheuern, verpaßt er außerdem den europäischen Dauervermittlern wie Sir David Owen und Thorvald Stoltenberg eine Ohrfeige. Und auch US-Präsident Bill Clinton wird von dem Psychiater Karadčiź brüskiert. Dieser muß sich fragen lassen, ob er zukünftig seine Außenpolitik Privatleuten überlassen will. Andererseits muß auch Carter auf die neuen Mächteverhältnisse im amerikanischen Kongreß Rücksicht nehmen, wo seit kurzem die Republikaner mit ihrem härteren Kurs gegenüber den Serben das Sagen haben.

An Karadžićs Ziel hat sich auch mit der Vorlage des 6-Punkte- Plans nichts geändert: Der Genfer „Friedensplan“, der eine Aufteilung Bosniens in zwei etwa gleich großte Hälften – 49 Prozent für die Serben, 51 Prozent für Kroaten und Bosnier – vorsieht, soll ad acta gelegt werden. Serbische Zeitungen spekulieren, daß Karadžić seit der bosnischen Niederlage in der Bihać-Region keine Angebot unter 64 Prozent Landesanteil akzeptieren wird.

Ob der Serbenführer den Westen von seinen Friedensabsichten überzeugen kann, scheint jedoch fraglich. Die ersten Reaktionen auf den Plan waren mehr als nur zurückhaltend. So sagte Nato-Generalsekretär Willy Claes, der Serbe habe lediglich „Elemente“ angeboten, die zu einem Waffenstillstand führen könnten. Eine Notwendigkeit, Carter einzuschalten, sah Cleas nicht. Die US-Regierung machte deutlich, daß Carter im Falle einer Vermittlungsreise nach Bosnien, dort als Privatperson auftrete. Karl Gersuny