■ Mit Brasiliens AKWs auf du und du
: Negative Rekorde

Rio de Janeiro (taz) – Nach zwanzig Jahren soll das Versprechen in Erfüllung gehen. Das halbfertige Atomkraftwerk Angra II geht 1998 ans Netz. Dies jedenfalls behauptet Pedro Figueiredo, Direktor des brasilianischen Elektrizitätskonzerns Furnas. Die skandalöse Baugeschichte des Atomkraftwerks in einer malerischen Meeresbucht nahe bei Rio de Janeiro verdient bereits jetzt einen Eintrag in Guinessbuch der Negativrekorde. Nicht nur seine Bauzeit ist weltweit unübertroffen, auch die Kosten von rund sechs Milliarden Dollar sind nahezu einmalig.

Ursprünglich wurden die Kosten für Angra II mit 1,3 Milliarden Dollar veranschlagt. Der Atommeiler sollte das erste von acht Kraftwerken sein, die zwischen Bonn und der brasilianischen Militärregierung 1975 vereinbart wurden. Doch Finanzierungsprobleme sowie der Verdacht, die brasilianischen Militärs bastelten heimlich an der Atombombe, zögerten die Bauarbeiten über Jahrzehnte hinaus.

Die Hoffnungen von Furnas- Direktor Figueiredo auf ein Happy-End für das Atomkraftwerk gründen sich auf einen neuen Beschluß des brasilianischen Parlaments. Danach soll ein 400-Millionen-Dollar-Kredit von deutschen Banken für den Weiterbau verwendet werden. Im nächsten Jahr soll nun mit der Ausschreibung von Aufträgen für 150 Millionen Dollar begonnen werden.

Das unter der Anleitung der deutschen Firma Siemens begonnene Atomkraftwerk Angra II mit einer Kapazität von 1.300 Megawatt soll zusammen mit dem bereits funktionierenden Atomkraftwerk Angra I ein Drittel des Energieverbrauches des Bundesstaates Rio de Janeiro decken. Angra I, im Jahr 1972 von der US-amerikanischen Firma Westinghouse an Brasilien verkauft, ist bei den Brasilianern wegen seiner zahlreichen Defekte und Stillegungen als „Glühwürmchen“ bekannt.

„Beim Bau von Angra I und II wurden zehn Milliarden Dollar auf immer versenkt“, kritisiert Brasiliens Greenpeace-Direktor Roberto Kishinami. Der Umweltschützer schlägt vor, Angra I in ein Atommülldepot zu verwandeln und Angra II als „Mahnmal menschlicher Dummheit zu konservieren“. Astrid Prange