Damit Kohl den Überblick bewahrt – Ein leicht verdauliches Bundeskanzleramt

Leicht hat es unser Kanzler wahrlich nicht. Weil sich die Architektur-Jury uneinig war, muß Kohl nun über die Festtage nicht nur den Weihnachtsbraten, sondern auch noch zwei Wettbewerbsentwürfe zum neuen Bundeskanzleramt im Berliner Spreebogen verdauen. „Noch in den kommenden Tagen“, so Kanzleramtschef Friedrich Bohl gestern bei der Vorstellung der zwei prämierten Entwürfe, werde die endgültige Entscheidung in Bonn vorbereitet. Schon Anfang 1995 könnte sich Kohl zu einem Entwurf „durchgerungen“ haben, so Bohl. Schließlich wolle man ja 1997 bauen und 1999 in das „neue politische Zentrum in der Hauptstadt einziehen“. Daß das Prozedere indessen länger gehen könnte, wenn etwa der „Bauherr sich noch für anderer Wettbewerbsteilnehmer“, den dritten, fünften oder letzten Platz (Nummer 41), interessiert, mußte der Kanzleramtschef auch einräumen. Weil das Volk auf eine schnelle sowie gute Entscheidung hofft, wollen wir dem Kanzler den Entwurf von Axel Schultes (mit Charlotte Frank) empfehlen (Foto links): Der Berliner Architekt – bereits Sieger im „Städtebaulichen Wettbewerb Spreebogen“ im Frühjahr 1993, der die Regierungsbauten symbolisch in einem ostwestlichen „Bundesband“ aufreihte – entwarf ein Kanzleramt der offenen Räume, der expressiven Baukörper und verschiedenartigen Ansichten. Den H-förmigen Grundriß unterteilte Schultes in zwei Bereiche. An die Längsseiten ordnete er 22 Meter hohe lichte Büroblocks, die vom 44 Meter hohen Mitteltrakt (damit der Kanzler den Überblick bewahrt, sagt Schultes) mit Sälen, der Bibliothek und Empfangsräumen überragt werden. Eine „offene Architektur im demokratischen Geist des Bonner Plenarsaals“ urteilte der Juryvorsitzende Kurt Ackermann. Im Unterschied dazu entwarfen die ebenfalls mit einem ersten Preis ausgezeichneten Krüger/Schuberth/Vandreike aus Berlin (Foto rechts) einen symmetrischen Konzernbunker im streng-monotonen Einheits-Look. Das sollte dem Kanzler nicht schmecken. rola/Foto: Rolf Zöllner