Protest gegen Abschiebung im Terminal

■ Flüchtlingshilfegruppen stellen im Flughafen Frankfurt die tödliche Rückführung eines Nigerianers nach / Öffentliche Kontrolle der Abschiebepraxis gefordert

Frankfurt/Main (taz) – Der am ganzen Körper mit Klebeband verschnürte Mann bäumt sich auf, ruckt und zuckt eine endlose Minutenzeit und sinkt dann in sich zusammen. Er spielt auf dem Frankfurter Rhein-Main-Flughafen das Sterben des Kola Bankola nach. Der Nigerianer war dort Ende August an den Folgen der Kombination von Beruhigungsspritze und brutaler Knebelung gestorben. Er hatte sich vorher heftig gegen seine Abschiebung gewehrt. Seither waren zahlreiche ungeklärte Todesfälle von zurück- und abgeschobenen AsylbewerberInnen bekannt geworden.

Rund 300 Menschen verschiedener Organisationen trafen sich am Samstag zum Protest in der Abflughalle B des internationalen Flughafens. Eine Delegation sollte auch die im Transitbereich unter Aufsicht des Bundesgrenzschutzes (BGS) internierten Flüchtlinge besuchen, Geldspenden und Geschenke übergeben und Rechtshilfe anbieten. Der Bonner Innenminister Manfred Kanther, Adressat des Protestes, hatte sich überraschend bereit erklärt, „alle Türen aufzumachen“ und eine Visite der sonst hermetisch abgeriegelten Räume mit zuzulassen.

Flughafensozialdienst verweigerte den Zutritt

Statt dessen verlief sich die Delegation der VeranstalterInnen dann allerdings im Dschungel der Zuständigkeiten. BGS-Leiter Klaus Severin verwies sie darauf, daß die Unterbringung und Betreuung der Menschen Aufgabe des Flughafensozialdienstes sei, der dem hessischen Familienministerium unterstehe. Dessen Leiterin aber lehnte den Besuch ab. Severin wehrte sich dagegen, „von Ihnen immer nur als Unmenschen dargestellt zu werden“. Er bot „alternativ“ eine Besichtigung der Räume des BGS an. Darauf verzichtete die Delegation dann allerdings ihrerseits.

Während der Kundgebung hatte die Gruppe „Zivile Oppositionspolitik“ eine öffentliche Kontrolle des Lagers auf dem Flughafen gefordert. Es dürfe auf deutschem Boden „keine Gebiete geben, in denen paramilitärische Polizeieinheiten wie der Bundesgrenzschutz unkontrolliert operieren“. Sie sah eine „Gefährdung des Rechtsstaates durch geheime Polizeiaktionen“.

Winfried Beck appellierte für den Verein Demokratischer Ärztinnen und Ärzte an seine Kolleg Innen, sich „niemals für einen zweiten Zweck“ mißbrauchen zu lassen. Ärzte seien durch ihre Berufsordnung verpflichtet, Kranken zu helfen, nicht aber, Flüchtlingen zum Zwecke der Ruhigstellung bei der Abschiebung Spritzen zu verabreichen. Er wandte sich auch noch einmal gegen die in einigen Kliniken immer noch praktizierte Amtshilfe für den BGS zur Altersfeststellung von asylsuchenden Kindern. Diese Röntgenuntersuchung der Handwurzelknochen sei medizinisch fragwürdig und ethisch nicht zu verantworten.

Cornalia Spohn wies für den Verband binationaler Familien und Partnerschaften (IAF) besonders auf die Situation von Kindern aus Kriegs- und Krisengebieten hin. Die Internierungs- und Rückschiebepraxis widerspreche dem internationalen Recht. Sie rief die Passagiere auf, bei Ankunft und Abflug „auf die Kinder zu achten“, sich ihre Namen zu merken und Sozialdienste oder Rechtsanwälte zu informieren. Außerdem sei es möglich, bei Abschiebungen beim Flugkapitän zu intervenieren, der das letzte Wort bei der Beförderung habe.

Fluggäste und Personal reagierten vorwiegend interessiert und positiv auf die Veranstaltung. Sie steuerten am Rande eigene Erfahrungsberichte von gewaltsam nach Rumänien deportierten Roma-Familien mit kleinen Kindern, nach Jugoslawien abgeschobenen Kriegsdienstverweigerern und im Flugzeug gefesselten und mißhandelten Menschen bei.

Vor allem, so Passagiere, die über Moskau nach Asien gereist waren, verdiene sich die russische Fluglinie „Aeroflot ein Zubrot an Devisen“, indem sie den Rücktransport auch afrikanischer Flüchtlinge über den Umweg über Moskau zulasse. Schon am Vormittag hatte das „Frankfurter Bündnis gegen Abschiebung“ gegen die Eröffnung eines neuen Abschiebegefängnisses in Offenbach protestiert. Heide Platen