Kritik an der Ostalgie der Altkader

Junge GenossInnen kritisieren auf Bundeskonferenz den Umgang der PDS mit der DDR-Vergangenheit und das immer stärkere Drängen der Partei an die Kabinettstische  ■ Aus Magdeburg Eberhard Löblich

Blauhemden mit der aufgehenden Sonne auf dem Ärmel suchte man auf der Bundeskonferenz der „Arbeitsgemeinschaft Junge GenossInnen in und bei der PDS“ (AGjG) am Wochenende in Magdeburg vergeblich. Und auch sonst demonstrierten die Nachwuchssozialisten, daß sie fünf Jahre nach der Wende für die PDS etwas ganz anderes sind als weiland die FDJ für die SED.

„Die PDS ist auf dem allerbesten Weg, ihr Profil als radikale Oppositionspartei selbst zu verspielen“, fand einer der rund 150 Delegierten aus dem ganzen Bundesgebiet. Anlaß für diese Kritik: Die zunehmend unverhohlene Liebäugelei großer PDS-Kreise, sich zumindest in den neuen Ländern der SPD als möglicher Koalitionspartner anzudienen. „Die Diskussion in den letzten Monaten hat uns gezeigt, daß auch in der PDS der Wunsch besteht, im Konzert der staatstragenden Parteien mitzuspielen und als Regierungspartei im Wartestand zu fungieren“, heißt es in einem auf dem Bundeskongreß verabschiedeten Grundsatzpapier der AGjG. Dies, so fanden viele Delegierte, decke sich auf keinen Fall mit dem Anspruch der konsequenten Oppositionspartei, mit dem die PDS im Wahlkampf aufwartete.

So ganz wollten die jungen Genossen ihrer Partei den Weg an die Kabinettstische dann aber doch nicht verbauen. Nur „in absehbarer Zeit“ komme das nicht in Frage, lautete schließlich der Kompromiß, auf den sich die Delegierten einigen konnten.

Denn als Preis für eine Regierungsbeteiligung müßte die PDS den Kampf um radikale Veränderungen aufgeben. Was sie aber verändern wollten, darüber waren die AGjG-Delegierten uneins. Den einen, die das parlamentarische System grundsätzlich in Frage stellten, standen andere gegenüber, die die „jetzige Gesellschaft“ überwinden wollten. Weil aber wiederum andere sich „als Teil dieser Gesellschaft begreifen“, mußte ein Kompromiß her. Schließlich einigte man sich auf das Ziel einer „demokratischen Überwindung der herrschenden Verhältnisse“.

Darüber, wie Demokratie zu leben ist, gehen auch bei der AGjG die Meinungen auseinander. In einer heftigen Debatte stritten die Genossen über eine Frage, die einst schon die Grünen entzweite. Mehrheits- oder Konsensprinzip, wie soll die Meinungsbildung innerhalb der Partei funktionieren? Mit Abstimmungsmehrheit fanden die jungen Genossen schließlich, daß „das Modell der Entscheidung von Mehrheiten über Minderheiten gescheitert“ ist. Ob das endlose Ringen um den breiten innerparteilichen Konsens aber das Gelbe vom Ei ist, darüber waren sich die Delegierten auch nicht einig. „Nach Alternativen zu diesem Modell ist zu suchen“, hieß es gestern im Grundsatzpapier.

Ein weiser Beschluß, denn dem PDS-Nachwuchs ist klar, daß große Teile der Partei gerade da am liebsten den alle Konflikte zudeckenden Konsens suchen würden, wo die AGjG recht unnachgiebig ist. Der Parteijugend, die sich dagegen wehrt, zu einem offiziellen Jugendverband der SED- Nachfolgepartei gemacht zu werden, geht die Aufarbeitung von SED- und DDR-Vergangenheit in der PDS längst nicht weit genug. „Eine Bewältigung der eigenen Vergangenheit ist nur möglich, wenn diese auf Grundlage einer radikalen Kritik an DDR und Stalinismus erfolgt“, findet der PDS- Nachwuchs und fordert eine „konsequente Abgrenzung vom Hang zu autoritärer Politik und stalinistischen Positionen einzelner Mitglieder“.

Auch in einem Antrag an den Bundesparteitag der PDS im kommenden Januar kritisieren die Junggenossen eine immer häufiger zutage tretende glorifizierende DDR-Nostalgie bei den Altkadern der Partei. Jugendliche, die vor allem eine Alternative zur jetzt herrschenden Polit-Gesellschaft suchen, werden durch diese Rückorientierung daran gehindert, diese Alternative in der PDS zu sehen. Überhaupt stieß die parteiinterne Jugendpolitik, die offensichtlich auf möglichst kurzfristige Gründung eines parteieigenen Jugendverbandes à la FDJ setzt, auf nachhaltige Kritik. Der PDS-Nachwuchs befürchtet, daß die Altkader diesen Jugendverband nur deshalb anstreben, „damit die Partei, so wie sie jetzt ist, nicht ausstirbt“. Das sei allerdings zuwenig, um der PDS tatsächlich den angestrebten Nachwuchs zuzuführen. Denn auch linksgerichtete Jugendliche, die der PDS nahestehen, findet die AGjG, „haben keine Lust die ,bewährte Politik‘ der Väter und Großväter fortzusetzen, da sie deren Perspektivlosigkeit selbst verspüren“.