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Doppeltes Spiel mit Iran-Abschiebung

■ Schicksal von Ahadi-Bonap weiter unklar / Ein gefälschter Brief und dubiose Telefonate

Auch über fünf Wochen nach seiner Abschiebung aus Bremen ist das weitere Schicksal des Iraners Ahadi-Bonap noch immer nicht geklärt. Im Gegenteil: nach neuen Mitteilungen des Auswärtigen Amtes und des iranischen Botschafters in Bonn wird der Fall zunehmend verwirrender.

„Meine Nachforschungen haben ergeben, daß Herr Ahadi entgegen einer gegenteiligen Behauptung zu keiner Zeit verhaftet worden war“, schrieb der iranische Botschafter in Bonn, Seyed Hossein Mousavian, am 8. Dezember an Bremens Innensenator Friedrich van Nispen. Beigelegt waren Fotokopie und Übersetzung eines von Ahadi-Bonap unterzeichneten Briefes. Darin heißt es: „Es war erstaunlich, daß nach meiner Rückkehr in den Iran keiner Anstoß daran nahm, daß ich das Land illegal verlassen hatte und nun zurückgekehrt bin. Erstaunlicher war allerdings die Tatsache, daß die Deutschen, die mich verhaftet hatten, sich nun Sorgen um mich machten. Es sieht ganz nach Krokodilstränen aus.“

Ob der Brief allerdings tatsächlich von dem aus Bremen abgeschobenen Iraner verfaßt wurde, ist mehr als unwahrscheinlich. Denn am Ende heißt es darin: „Ich werde bis Freitag, 30. Dezember im Homa-Hotel in Teheran, Zimmer 1208 oder 607, mit meiner Familie wohnen und bin bereit, alle Fragen zu beantworten, um die Zweifel zu beseitigen.“

Das Homa-Hotel ist eine der nobelsten Adressen Teherans, ein Zimmer ist dort nicht unter 100 Dollar am Tag zu haben. Kaum denkbar, daß der mit 30 Mark in der Tasche aus Bremen abgeschobene Asylbewerber dort untergekommen sein soll. An der Rezeption war gestern bei der ersten Nachfrage der taz (Tel. 009821-2263031) der Name Ahadi-Bonap denn auch nicht bekannt, in Zimmer 1208 wohne ein Franzose, Zimmer 607 sei leer. Beim zweiter Anruf etwas später wurde das Telefonat minutenlang weitergestellt und landete schließlich bei einem englischsprachigen Mann, der nur mitteilen wollte, daß Ahadi-Bonap „nicht da“ sei. Weitere Nachfragen blieben erfolglos.

Ein ähnlich undurchsichtiges Erlebnis beim Versuch der telefonischen Kontaktaufnahme mit Ahadi-Bonaps Familie hatte der Bremer Anwalt des Abgeschobenen, Karim Popal, bereits Anfang Dezember. Am 6.12. konnte er mit dessen Schilderung Innensenator Friedrich van Nispen mitten auf der Pressekonferenz, auf der er eigentlich die Aufklärung des Falls und damit die Genehmigung weiterer Abschiebungen in den Iran bekanntgeben wollte, zu einer 180-Grad-Wende bewegen (vgl. taz vom 7.12.). Popals Vermutung damals: Beim zweiten Telefonat sei er an die Revolutionsgarde weiterverbunden worden. Bis heute hat Anwalt Popal trotz vielfacher Versuche kein direktes Gespräch mit Ahadi-Bonap führen können.

Auch die deutsche Botschaft in Teheran hat inzwischen eine neue Version vom Verlauf der Abschiebung. Hieß es noch Ende November, Ahadi-Bonap sei auf dem Teheraner Flughafen nur 30 Minuten zur Klärung seiner Identität festgehalten worden und direkt danach zu seiner Familie weitergereist, geht die deutsche Botschaft nun davon aus, daß Ahadi-Bonap zwei Tage festgehalten wurde. Am 8. Dezember habe er dann persönlich in der Botschaft vorgesprochen und um Nachsendung seiner in Bremen zurückgelassenen persönlichen Habe gebeten. Das Bremer Innenressort will sich darum kümmern und dem Paket auch ein Foto das abgeschobenen Asylbewerbers beilegen, damit die deutsche Botschaft feststellen kann, ob es wirklich Ahadi-Bonap selber ist, der die Sendung abholt.

Für den iranischen Botschafter in Bonn ist der ganze Fall nur als Versuch zu werten, die „Rückführung asylsuchender Iraner in ihre Heimat in Verruf zu bringen“. Seyed Hossein Mousavian abschließend an van Nispen: „Es wäre schade, wenn wir in diese Falle tappen würden, denn das ganze Unternehmen ,Rückkehr in den Iran' lebt vom Vertrauen. Und dieses Vertrauen soll durch unlautere Mittel erschüttert werden. Ich bin zuversichtlich, Herr Senator, daß Sie dieses Ansinnen nicht unterstützen werden.“ Van Nispens Sprecherin Pagenhardt war sich da gestern nicht so sicher: „Der Fall ist noch nicht geklärt. Deshalb gibt es auch noch keine neue politische Entscheidung über den Stopp von Abschiebungen in den Iran.“ Ase

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