„In der CDU hat sich etwas bewegt“

■ Die Ausländerbeauftragte Cornelia Schmalz-Jacobsen (FDP) sieht Chancen für eine Korrektur des Einbürgerungsrechtes

CDU-Präsidiumsmitglied Johannes Gerster hat überraschend den Vorschlag gemacht, Kinder von in Deutschland lebenden Ausländern sollten mit der Geburt automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten. In ihrem Koalitionsvertrag hatten CDU/CSU und FDP noch mit dem merkwürdigen Konstrukt einer Kinderstaatszugehörigkeit aufgewartet. Danach sollten ausländische Kinder Deutsche auf Zeit werden können, wenn ein Elternteil bereits in Deutschland geboren wurde und der andere mindestens schon 10 Jahre in Deutschland gelebt hat.

Deutet der Vorschlag von Herrn Gerster einen Sinneswandel innerhalb der CDU an?

Schmalz-Jacobsen: Es klingt ja so. Nur hätte ich mir gewünscht, daß sowohl Frau Süssmuth, die sich ja ähnlich zum Thema geäußert hat, als auch Herr Gerster vor den Koalitionsverhandlungen mit ihren Vorschlägen an die Öffentlichkeit gegangen wären und nicht erst jetzt.

Halten Sie denn Gersters Vorschlag für mehrheitsfähig bei Ihrem Koalitionspartner?

Es ist offenkundig, daß sich beim Partner CDU/CSU etwas bewegt, und da muß man jetzt noch einmal gründlich miteinander verhandeln.

Worin liegen die Tücken dieses neuen Vorschlages, oder gehen Sie als Ausländerbeauftragte damit völlig d'accord?

Ich gehe damit nicht völlig d'accord. Im Unterschied zu meinen Vorstellungen müssen sich die Jugendlichen mit 18 Jahren immer noch zwischen der eigenen und der deutschen Staatsangehörigkeit entscheiden. Aber wenn sich die Grundidee – Kinder nicht-deutscher Eltern, die die Voraussetzungen erfüllen, werden mit der Geburt deutsche Staatsangehörige – durchsetzen würde, wären wir wirklich einen entscheidenden Schritt weiter.

Ist das Thema doppelte Staatsbürgerschaft mit diesem Vorschlag, so er denn mehrheitsfähig sein sollte, vom Tisch?

Das Thema, um das es hier geht, lautet: Erleichterung der Einbürgerung. Und diese läßt sich erreichen durch die Schaffung weiterer Rechtsansprüche auf Einbürgerung, durch die Ergänzung des Staatsangehörigkeitsrechts des ius soli oder aber durch die vermehrte Hinnahme von Doppelstaatsangehörigkeiten. Ich habe den Eindruck, in der letzten Zeit ist hier die Rangfolge etwas durcheinander geraten. Natürlich besteht weiterhin die Notwendigkeit, über die doppelte Staatsbürgerschaft zu diskutieren. Und wir waren ja an diesem Punkt in der letzten Legislaturperiode innerhalb der Koalition schon einmal weiter – so weit, daß man zum Beispiel Fälle präzisieren sollte, in denen eine doppelte Staatsbürgerschaft eingeräumt wird. Aber das wurde dann kurz vor der Wahl vom Koalitionspartner vom Tisch gezogen. Es bleibt aber weiter auf der Tagesordnung.

Die SPD hat angekündigt, sie werde dazu genau den Gesetzesentwurf in den Bundestag einbringen, den Sie als Ausländerbeauftragte formuliert haben. Da könnten Ihre FDP-Kollegen in die Zwickmühle geraten.

Das wollen wir erst einmal abwarten. Es ist ein schöner Brauch aller Oppositionsfraktionen, Koalitionen damit zu ärgern, daß man ihre eigenen Entwürfe wieder vorholt. Wir müssen jetzt sehen, ob es der Koalition gelingt, mit Hilfe solcher Stimmen wie von Rita Süssmuth oder Johannes Gerster dem etwas Eigenes entgegenzustellen.

Es kann Ihnen aber passieren, daß Sie über Ihren eigenen Vorschlag abstimmen müssen.

Das kann durchaus passieren.

Und wie wird die Abgeordnete Schmalz-Jacobsen sich verhalten?

Sie wird in keinem Fall dagegen stimmen. Interview: Vera Gaserow