Wiener Briefbomben beschäftigen Justiz

■ Ostberliner Neonazi Bendix W. soll in Berliner Haftanstalt sitzen und von österreichischen Behörden vernommen werden

Ein Jahr nach der Briefbombenserie in Wien, bei der vier von zehn Briefbomben explodierten und fünf Personen zum Teil schwer verletzt wurden, konzentrieren sich die derzeitigen Ermittlungen auf den Ostberliner Neonazi Bendix W. Wie das österreichische Innenministerium gestern der taz gegenüber bestätigte, sitzt der Schlosser wegen eines Verkehrsunfalls in einem Berliner Gefängnis. „Wir wissen das seit einigen Tagen“, so der Sprecher der Wiener Behörde, Walter Craczer. Bendix W., der von Interpol mit einem internationalen Haftbefehl gesucht wird, gelte „nach wie vor als Verdächtiger“.

Bendix W. wird dem engeren Umfeld des Berliner Rechtsextremisten Arnulf-Winfried Priem zugerechnet. Dieser sitzt derzeit wegen anderer Delikte in Haft. Der ehemalige Chef der verbotenen „Deutschen Alternative“ bestätigte im April, daß er mit Bendix W. 1990 in dem von Rechtsextremisten besetzten Haus in der Ostberliner Weitlingstraße „zufälligen Kontakt“ gehabt habe.

Bendix W. soll nun auf Ersuchen der österreichischen Justizbehörde in Berlin zu der Briefbombenserie vernommen werden. Unter anderem wurden dem damaligen Wiener Bürgermeister Helmut Zilk beim Öffnen einer Briefbombe drei Finger der linken Hand abgerissen.

Vorige Woche war ein sogenanntes Einvernahmeersuchen an die Berliner Justizbehörde ergangen. Der Sprecher der Wiener Justizbehörde, Gerhard Litzka, geht davon aus, daß Bendix W. bereits in den nächsten Tagen in Anwesenheit eines österreichischen Beamten vernommen wird. Zu den Vorwürfen gegen Bendix W. wollte er sich nicht äußern. Eine Auslieferung nach Österreich muß der Ostberliner Neonazi nicht befürchten. Bendix W. könne lediglich nach dem Europäischen Rechtshilfeabkommen in Deutschland vernommen werden, so die Wiener Justizbehörde.

Im Gegensatz zu den österreichischen Ermittlern war die Berliner Justizverwaltung wenig auskunftsfreudig. Der Leiter der Justizpressestelle, Frank Thiel, konnte gestern aber weder den Haftaufenthalt von Bendix W. in einem Berliner Gefängnis noch die Existenz eines Haftbefehls ausschließen. Selbst wenn dies der Fall sei, könne er im Interesse der staatsanwaltschaftlichen Fahndungsmaßnahmen nichts sagen. „Wenn die Leute in Wien das aus datenschutzrechtlichen Gründen in Ordnung finden“, so sein Kommentar, sei das ihre Angelegenheit. Nach Recherchen von Justizsprecherin Uta Fölster war das Ersuchen der österreichischen Behörden bis gestern noch nicht eingetroffen.

Bereits im April dieses Jahres hatte das in Wien erscheinende Nachrichtenmagazin Profil berichtet, daß einer der mutmaßlichen Beteiligten an der Briefbombenserie Bendix W. sei. Das österreichische Innenministerium war in Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt auf die deutsche Spur gekommen. Barbara Bollwahn