Blitzaktion der Zapatistenguerilla im Regenwald

■ Indianer-Einheiten besetzten 38 von 110 Gemeinden im südmexikanischen Bundesstaat Chiapas / Subcomandante Marcos lehnt Vorschlag von Zedillo ab

Mexiko-Stadt (taz) – Zum ersten Mal seit über elf Monaten haben Einheiten der Zapatistenguerilla EZLN den militärischen Kessel um den Lacandonendschungel durchbrochen und sind in 38 von insgesamt 110 chiapanekischen Gemeinden vorgedrungen – ohne bisher einen einzigen Schuß abzugeben. Der Vormarsch solle nicht etwa als Provokation mißverstanden werden, erklärte Subcomandante Marcos in einer nächtlichen Pressekonferenz den verdutzten MedienvertreterInnen, sondern sei vielmehr als „militärische Kampagne für Frieden mit Gerechtigkeit und Würde für die indianischen Völker“ zu verstehen.

Bislang reagierte das Verteidigungsministerium auf die territoriale Herausforderung, bei der die Konfliktzone nach klammheimlicher Mobilisierung blitzartig auf die Hälfte des Bundeslandes ausgeweitet wurde, eher verhalten: trotz der Erklärungen „des selbsternannten Subcomandante Marcos“ werde man sich bis auf weiteres an die präsidentiale Devise des einseitigen Waffenstillstandes halten, heißt es in einem knappen Kommuniqué des Ministeriums.

Zwar kam es am Montag im gesamten Bundesstaat zu Straßenblockaden durch Campesino- Gruppen. Offen in Erscheinung getreten ist die Zapatistenarmee bislang aber offenbar nur in der Gemeindehauptstadt von Simojovel, 130 Straßenkilometer nördlich der Landeshauptstadt Tuxtla Gutiérrez. Dort besetzten mutmaßliche Mitglieder der EZLN das Rathaus und sperrten die Zufahrtsstraßen ab. Während der Besetzung, bei der die Kommune zur „Rebellengemeinde“ erklärt wurde, kam es zu Plünderungen von Geschäften, Archive in öffentlichen Institutionen wurden verbrannt. Nach Aussage des Guerrillasprechers sind schon 30 der „besetzten“ Gemeinden mit einem anderen Namen versehen und der „Rebellenregierung“ des ehemaligen Oppositionskandidaten Amado Avendano unterstellt.

Als Bedingung für die Wiederaufnahme des Waffenstillstands – aber noch nicht als Garantie für einen neuen Dialogs – nannte Marcos am Montagmorgen erneut den Rücktritt des PRI-Gouverneurs von der herrschenden Partei der Institutionellen Revolution (PRI) Eduardo Robledo, die Anerkennung der linken Avendano-Regierung und die Bestätigung der Nationalen Vermittlungskommission (Conai) um Bischof Samuel Ruiz als „einzige unabhängige Vermittlungsinstanz“. Damit lehnt der EZLN- Stratege den Vorschlag von Präsident Zedillo rundweg ab, eine parlamentarische Kommission einzurichten, an der sich inzwischen auch die oppositionelle PRD beteiligen wollte. Eine solche Kommission, die in der Presse als letzte Hoffnung auf die Wiederaufnahme des zerrissenen Dialogfadens gehandelt wurde, sei weder ausreichend noch wirklich neutral. „Die gesamte ländliche Zone ist jetzt zapatistisches Gebiet“, teilte Marcos gegenüber den Journalisten mit, „der Regierung bleiben nur noch die Städte, die Gemeindehauptstädte (nicht alle) und die Straßen.“ Um mit der indianischen Bewegung im Südosten des Landes fertigzuwerden, müsse die Armee schon „all ihre Soldaten“ mobilisieren, warnte der Sprecher und Oberbefehlshaber der zapatistischen Truppen.

Tatsächlich hatten sich am Vormittag auch die Mitglieder der Nationalen Indianerkonvention (CNI) den Forderungen der EZLN angeschlossen. In ihrer „Deklaration aus den Bergen von Guerrero“ schreiben sie: „Chiapas ist nicht der Brennpunkt des Landes. Chiapas ist nur der Punkt, der wegen Überhitzung schon explodiert ist. Die Brennpunkte sind überall im nationalen Territorium, überall da, wo sich das Leben der Indios von Chiapas Tag für Tag wiederholt. Es ist nicht mehr die Stunde von Kommissionen und Beauftragten. Jetzt geht es um Verhandler, die auch wirklich Entscheidungsbefugnisse haben.“ Anne Huffschmidt