Jede Menge Eigenlob

■ Jahresbilanz des Bausenators / Kritik an der Bundesregierung: noch kein einziger Bauantrag gestellt

Wer seine Hausaufgaben gemacht hat, darf auch schimpfen. „Wenn der Bund bis 1998 seine Wohnungen fertigstellen will“, mahnte Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) die Kollegen vom Rhein, dann müßten nun zügig Planungs- und Architekturleistungen vergeben werden. Bislang freilich, raunzte Nagel, sei noch kein einziger Bauantrag gestellt.

Falls man sich also in vier Jahren an Bundesbedienstete unter Brücken oder am Bahnhof Zoo gewöhnen muß, will Nagel damit sagen, ist das allein die Schuld der Bundesregierung. Berlin jedenfalls habe seine Vorleistungen erbracht und rund 150 Standorte für den Bonner Wohnungsbau ausgewiesen. Von den etwa 12.000 Wohnungen für Regierungsbeamte sollen 8.000 neu entstehen, 4.000 sollen aus den Beständen der Allierten zur Verfügung gestellt werden.

Drei Tage vor Heiligabend lud der Berliner Rekordhalter in Sachen Pressekonferenzen zur Bescherung: Jahresbilanz. Von der Berliner Baupolitik wußte Nagel vorwiegend gute Mär zu berichten. Die Hauptstadt kommt voran, dito die Wirtschaftsmetropole, und das Zusammenwachsen wird angepackt. Vor allem die Eigentumsverhältnisse, freute sich Nagel, seien kein Hemmnis mehr für Investitionen. Von insgesamt 1.600 Anträgen nach dem Investitionsvorranggesetz seien bereits 1.000 positiv beschieden. Damit könnten Investitionen auch bei vorliegenden Restitutionsanträgen ohne Aufschub vorgenommen werden.

Auch im weihnachtlichen Baukasten, umgeben von Sand und gelben Kränen, fühlt sich der Senator wohl, gleichwohl sich hier auch Spielverderber tummeln. So mußte Nagel einräumen, daß der Kaufhauskonzern Hertie nach seiner Fusion mit Karstadt die Pläne für seine Deutschlandzentrale auf dem Lenné-Dreieck aufgegeben hat. Ebenfalls gebremst ist der Boom bei Bauanträgen von Bürohäusern. Gegenüber dem Vorjahr ist hier lediglich ein Plus von 11,8 Prozent zu verzeichnen. Im Wohnungsbau sind es dagegen 41,5 Prozent, bei der öffentlichen Infrastruktur 34,5 Prozent. Damit habe sich das Bauvolumen 1994 mit 28 Milliarden Mark gegenüber 1990 verdoppelt. Da dieser Anstieg sich allerdings nicht wie erwartet auf das Auftragsvolumen der Berliner Bauindustrie niedergeschlagen habe, forderte Nagel, künftig mehr auf kleinteiligere Auftragsvergabe zu setzen als auf Generalunternehmer. Die nämlich setzten vorwiegend auf Baufirmen, die unter den hiesigen Tarifen blieben. Nagel bedauerte in diesem Zusammenhang, daß es trotz deutschem EU- Vorsitz bislang nicht gelungen sei, die Entsendungsvorschriften der EU durchzusetzen, die eine Bezahlung nach den vor Ort geltenden Tarifen vorsehen.

Die wichtigste Nachricht freilich war gut verpackt. Kürzertreten muß Berlin, bedauerte der Bausenator, künftig vor allem bei den Ampelanlagen. Zusätzlich zu den 1.795 „Lichtzeichenanlagen“ der Stadt können im kommenden Jahr nur 30 Ampeln neu gebaut werden. Pech für Wolfgang Nagel: Trotz großen Lobes für die große Koalition und der Warnung vor einer „Regierung aus der Froschperspektive“ muß Lokomotive Nagel noch immer auf ein schwarzes Lichtzeichen für „zügig durchfahren“ verzichten und sich vorerst mit den Ampelfarben Rot, Grün und Gelb begnügen. Uwe Rada