Nicht ohne meinen Soundtrack

Whitney singen zu sehen – wie Hollywood auf der Suche nach dem jugendlichen Fan die Popcharts illustriert. MCA-Records und Universal harmonisch koproduzierend?  ■ Von Mariam Niroumand

Wenn bislang von den schier unschlagbaren Potenzen des Dreamteam Spielberg-Geffen-Katzenberg die Rede war, ging es meist um „Animationsmaschine meets Geldmaschine“. Die Rolle der Musik, vertreten durch David Geffen, den Plattenbillionär von „Geffen Records“, wurde bislang erstaunlich unterschätzt.

Dabei ist Hollywood-Filmmusik längst ein autonomer Star, dem die Bilder mitunter schon illustrierend nachfolgen, statt ihm konzeptionell vorauszugehen. So verzögerte sich die Postproduction von Geffens „Interview mit dem Vampir“, weil der finale Song für den Soundtrack fehlte. Die Guns- 'N-Roses-Version von „Sympathy for the Devil“ konnte Geffen, der die Band schließlich an seiner Mogul-Brust gezeugt und im eigenen Hause unter die Leute gebracht hat, zwei Wochen vor dem Start noch auf einem MTV-Clip unterbringen.

Spätestens seit dem Erfolg des Soundtracks von „Bodyguard“, der öfter verkauft wurde als Eintrittskarten für den Film, seit „Philadelphia“ nicht ohne Bruce Springsteen und „The Lions King“ nicht ohne Elton John vom Boden zu kriegen war, übergab „Forrest Gump“ ein Gutteil der erzählerischen Last gleich an seinen Soundtrack: was die Sixties alles waren, erfährt man keineswegs aus Forrests Pralinenschachtel, aus der immergleichen Magical History Tour des Südstaatler-Hinterwädlers, sondern von den vielen Mamas und Papas im Hintergrund.

Diese Allianz findet inzwischen ihren praktisch-monetären Niederschlag in der räumlichen Nähe von Film- und CD-Produktion. Von MCA sind es nur ein paar Schritte bis zu Universal, und David Geffen ist nicht der einzige, der beide Produktionen in einer Hand vereint. Mit der Nachfrage bei den Pop-Artisten verhält es sich ähnlich wie mit der nach Autoren wie Crichton oder Grisham: Name drops are falling on my head. Billy Joel, Beck, Whitney Houston... Schwer zu sagen, ob das „Modell Nino Rota“, also die zu einem Film geschriebene Autorenmusik, unter diesen Bedingungen noch eine Chance hätte.

Natürlich ist die Produktionseinheit Film-Musik nicht neu: Robert Stigwood war der Produzent von „Jesus Christ Superstar“, von „Tommy“ bis hin zum „Saturday Night Fever“: „Jahrelang habe ich die langen Schlangen vor Rockkonzerten gesehen und mich gefragt, warum man diese Leute nicht ins Kino kriegt. Warum man es nicht schafft, im Kinosaal eine ähnliche Aufregung zu erzeugen“, sagte er der Libération damals in einem Interview. Der Soundtrack zu „Saturday Night Fever“, dominiert von den Bee Gees, war damals das mit 25 Millionen Exemplaren meistverkaufte Album überhaupt. Es war das erste Mal, daß ein Album sechs Wochen vor dem Film herauskam. Als Travolta dann endlich auf der Leinwand auftauchte, war „How deep is your love“ längst die Nummer 1 in den Charts. „Flashdance“, „Grease“, „Dirty Dancing“ folgten auf dem Fuße. Bei „Bodyguard“ war diese Marketingstrategie auf ihrem Höhepunkt angelangt: Einen durchaus schlechten Film in Kauf nehmend, ging man ins Kino, um Whitney Houston „I will always love you“ singen zu sehen.

Apropos Travolta: Der Fan, nach dem Robert Stigwood auf der Suche war, hat jetzt selbst einen Film gemacht: „Pulp Fiction“ ist zur Zeit der Hit auf dem Soundtrack-Markt, nur verschlafen dessen Produzenten prompt die wichtigsten Promotiontermine. An dessen Erfolg aber konnte man, so eine Sprecherin von Universal, einmal wieder sehen, daß diese Generation eben doch zu größeren Ausgaben zu mobilisieren ist. Deswegen hat Sony-Columbia, der kränkelnde Gigant, eine neue kleine Sub-Spezies gegründet, die „Epic Soundtrack“ heißt, und die erfolgreiche Soundtracks für die Kids in CD-Länge aufstocken soll. Dabei will man sich, so der Firmensprecher Bert Berman, an die Subgemeinden wenden: „Im Zeitalter des Kabelfernsehens muß man immer spezifischeren Bedürfnissen Rechnung tragen. Wir bringen eine CD nur für Rap-Hörer oder nur für Nirvana-Fans heraus. „Cool Runnings“ warf eine Reggae-CD ab, „Singles“ reinen Grunge, „Flintstones“ die „B-52“ – in allen Fällen waren sie erfolgreicher als der Film. „Reality Bites“ zeigte, daß der Prozeß sich auch umkehren läßt: Eine gewisse Lisa Loeb, bis dahin nichts als „die Freundin von Ethan Hawke“, dem Produzenten, reüssierte in den MTV-Charts weit mehr als der glücklose Film selbst. Seither bieten noch mehr Bands als früher ihre kostenlose Mitarbeit an. „Da geht man“, so die Universal-Sprecherin Kathy Nelson gegenüber Variety, kein Risiko ein. Wenn der Film floppt, hat man keine Verantwortung, das ist schnell vergeben und vergessen. Nur die erfolgreiche Musik bleibt.“

Erste Interessenskonflikte dräuen am Horizont: Die Plattenfirmen produzieren immer „Soundtracks“, von denen ein Teil der Lieder gar nicht im Film zu hören war – dabei mitunter zwei Fliegen mit einer Klappe schlagend: man verschafft dem eigenen Angebot Publicity und umgeht zugleich Autorenrechte. „Das können wir natürlich nicht durchgehen lassen“, meint Nelson. „Der Grund dafür, einen Soundtrack herauszugeben, ist doch der, daß man die Erinnerung an einen Film wachhalten will.“